Mietexplosion in Marienburg

Stadt legt ihren Mietern auf dem Domäne-Gelände neue Verträge mit saftigen Erhöhungen vor

Hildesheim. Als Horst Zettelmann die Mitteilung seines Vermieters aus dem Briefkasten zog, dürfte er erst einmal bleich geworden sein: Die Stadt hat die Miete des Rentners aus Marienburg um 70 Prozent angehoben. Eigentlich sollte der 78-Jährige, der seit mehr als fünf Jahrzehnten in der Beusterstraße wohnt, das Haus kaufen oder ausziehen. Die Stadt wollte es zusammen mit ihren anderen Häusern auf dem Gelände der Domäne Marienburg verkaufen. Doch das scheint einfacher gesagt als getan. Die Immobilien sind auch nach einem Jahr Verkaufsabsicht immer noch Eigentum der Stadt. Alle Versuche, sie abzustoßen, sind gescheitert. „Die Häuser sollen nach wie vor verkauft werden“, sagt Stadtsprecher Helge Miethe.

Der Stadt gehören an dieser Stelle vier Gebäude in der Domänenstraße und zwei in der Beusterstraße. Die Gebäude in der Domänenstraße stehen leer. In den beiden Gebäuden Beusterstraße (ein Doppelhaus, ein Reihenhaus) wohnen laut Rathaus fünf Mietparteien, eine Doppelhaushälfte stehe leer. Weil die Verträge der Stadt-Mieter ausgelaufen sind, hat das Rathaus den Bewohnern jetzt neue, unbefristete vorgelegt – und die Höhe der Miete gleich mit angehoben. Darüber, ob die Anpassung rechtens sei, gehen die Meinungen aber auseinander. Das Rathaus spricht von Mieten „deutlich unterhalb des ortsüblichen Quadratmeterpreises“ und „verbessertem Mieterschutz“. Drei der fünf Mietparteien hätten mit der Stadt Hildesheim umgehend einen neuen Mietvertrag abgeschlossen, zwei hätten sich an den Mieterverein gewandt. Einer ist Zettelmann.

Beim Mieterverein sieht man vor allem die Steigerung kritisch. „Fast das doppelte an Miete, das geht nicht“, sagt Geschäftsführer Volker Spieth. „Wir wollen versuchen, etwas anderes mit der Stadt auszuhandeln.“ Die geforderte Erhöhung der Stadt stellt er als völlig überzogen dar. „Normale Mieterhöhungen bewegen sich bei uns bei 20 Prozent innerhalb von drei Jahren. “Gemessen daran, könnte man den Aufschlag sogar als Mietexplosion bezeichnen. Andererseits ist sogar den Mietern, die noch in den Häusern wohnen, bewusst, dass sie bisher eine vergleichsweise niedrige Miete zahlen mussten. „Vielleicht sind die Forderungen der Stadt sogar angemessen“, räumt Horst Zettelmann aus der Beusterstraße ein. Trotzdem hofft er, dass der Mieterverein die Forderungen der Stadt noch drücken kann. Er hat Sorge vor den kommenden finanziellen Verpflichtungen – auch, weil er gerade plant, das Haus zu renovieren.

Für ihn sei es ein turbulentes Jahr gewesen – vor allem, weil er und seine Frau viele Monate in Unsicherheit über ihre Zukunft gelebt hatten. Die Stadt ist seit 2005 Eigentümerin der Grundstücke. Doch 2013 beschloss sie, die überwiegend maroden Häuser als Paket für mindestens eine halbe Million Euro zu verkaufen. Doch das hat man sich im Rathaus offenbar leichter vorgestellt. Zeitweise war auch die Gemeinnützige Baugesellschaft gbg als Käufer gehandelt worden. Doch die Pläne sind vom Tisch. „Wir sind da nicht mehr gefordert“, sagt gbg-Chef Jens Mahnken. Die gbg habe ihre Hilfe angeboten, damit die Bewohner – viele kamen als Flüchtlinge nach Hildesheim – nicht erneut vertrieben werden. „Jetzt will die Stadt aber andere Wege gehen“, sagt Mahnken.

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(c) 2014 Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 13.09.2014
                Von Christian Harborth