100 Jahre Mieterverein Hildesheim /Klare Forderungen an die neue Regierung

100 Jahre Mieterverein Hildesheim

 

Klare Forderungen an die neue Regierung

Hildesheimer Mieterverein feiert am 2.11.2013 in den Geschäftsräumen 100-jähriges Bestehen / Mieterbund-Chef skizziert politische Agenda

Hildesheim (bar). Als der Mieterverein Hildesheim vor 100 Jahren gegründet wurde, galt es ein Gegengewicht zu schaffen zu den organisierten Haus- und Grundeigentümern. Die Stimmung zwischen Mietern und Vermietern sei damals geradezu feindselig gewesen, berichtete der Vorsitzende des Mietervereins Hildesheim und Umgebung, Franz Berg, jetzt bei der Jubiläumsfeier. So verlor der damalige Vorsitzende Hugo Busch wegen des Ehrenamtes seine Arbeit als Buchhalter. Geschäftsleute weigerten sich, an Mitglieder des Vereins zu vermieten. Die reagierten mit einem Boykott der Läden.

Heute bemühe sich der Mieterverein darum, Konflikte friedlich zu lösen, betonte der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Franz-Georg Rips, in seinem Festvortrag. Was aber nicht daran hindere, sich noch immer auch politisch energisch für die Mieterinteressen einzusetzen. Der Mieterbund verfolge daher die Koalitionsverhandlungen zur Gründung einer neuen Bundesregierung mit großer Spannung.

An die kommende Regierung hat die Mietervertretung sehr konkrete Forderungen zu Änderungen im Mietrecht. Dass Hausbesitzer elf Prozent der Kosten einer energetischen Sanierung auf die Jahresmiete aufschlagen dürften, führe zum Teil zu untragbaren Mieterhöhungen und werde in Gebieten mit knappem Wohnraum gezielt dafür eingesetzt, Mieter loszuwerden, monierte Rips.

Auch der Mieterbund halte es für richtig, die Kosten für Energiesparmaßnahmen am Bau auf Mieter, Vermieter und Staat zu verteilen. Er plädiere dafür, eine erreichte Heizkostenersparnis durch einen Mietpreisaufschlag von etwa 1,10 Euro pro Quadratmeter auszugleichen, erklärte Rips. Der Förder-Etat des Staates sollte aus seiner Sicht von 1,8 Milliarden auf 5 Milliarden Euro steigen. Eine dringende Forderung sei auch, die Energiekosten bei Wohngeld und Bafög zu berücksichtigen.

Die Situation am Wohnungsmarkt sei regional sehr unterschiedlich, erklärte der Mieterbund-Präsident. Mit Sorge beobachteten die Mietervereine, dass Einwohner mit niedrigem Einkommen wegen unerschwinglicher Mieten aus einigen Innenstädten verdrängt würden. Die Kommunen müssten gegensteuern und beispielsweise Grundstücke für Wohnungsneubau zur Verfügung stellen.

Die Bedeutung der Nachbarschaft werde in Zukunft zunehmen, so Franz-Georg Rips. Dem stimmte auch Petra Willke-Fischer in ihrem Vortrag zu zukünftigen Wohnformen zu. Verlässliche Hausgemeinschaften könnten an die Stelle familiärer Strukturen treten, so die Hildesheimer Architektin. 70 Prozent der pflegebedürftigen Menschen lebten zu Hause, nur ein geringer Teil zöge in Pflege-einrichtungen. Der Anteil an barrierefreien, altengerechten Wohnungen sei viel zu gering, obwohl der demografische Wandel lange bekannt sei. Zum altersgerechten Wohnen gehöre auch das entsprechende Umfeld im Wohnquartier mit Einkaufsmöglichkeiten, Pflegediensten und einem Mittagstisch in der Nähe.

Willke-Fischer warb für ein Wohnprojekt der Gemeinnützigen Baugesellschaft für gemeinschaftliches Wohnen in der Oststadt. Mehrere Mieter im Alter zwischen 50 und 75 Jahren seien für die Hausgemeinschaft schon gefunden, es fehlten aber noch junge Familien.

Wer heute die Interessen der Mieter vertrete, vertrete die soziale Gesellschaft, sagte Oberbürgermeister Kurt Machens. Es sei ein gemeinsames Ziel von Mieterverein, Baugesellschaften und Stadt, dass Bürger im Alter in ihrer angestammten Nachbarschaft bleiben könnten. Eine starke Vertretung sei nur mit Engagement und Solidarität möglich, ergänzte Landrat Reiner Wegner. Landesgeschäftsführer Randolph Fries gratulierte dem Mieterverein Hildesheim als dem ältesten Verein im Mieterbund-Landesverband Niedersachsen-Bremen.

Das Hildesheimer „Liebesgrund-Quartett“ unterhielt die Gäste mit humorvollen Liedern aus den 1920er und 30er Jahren.