Streitfall Schimmelbefall

Spezialist hilft Mieterverein in schwierigen Fällen: Lüften contra Baumängel

Hildesheim. Schimmelbefall in der Wohnung – für den Vermieter ein klarer Fall. Das kann nur der Mieter gewesen sein. Falsches Heizen und falsches Lüften. Beim Mieterverein Hildesheim gehen fast jede Woche ein bis zwei solcher Anfragen ein, erzählt dessen Geschäftsführer Volker Spieth. „Meistens liegt die Sache eben nicht so klar auf der Hand, dann schalten wir einen Experten ein.“

Das ist Luke Lenferink. Der Bauphysiker hat sich auf Diagnostik und Behandlung von Schimmelfällen spezialisiert. Für rund 40 Euro bietet er eine Baubegehung über den Mieterverein an, um ein erstes Urteil zu bilden. „Ein Gutachten ist das nicht“, sagt er. Aber seine Erfahrungswerte helfen ihm, sehr schnell der Ursache auf den Grund zu kommen. In der Regel sei es so, dass die Schuld zu etwa gleichen Anteilen bei Vermieter und Mieter zu suchen seien, sagt Lenferink. Besonders bei Wohnungen und Häusern, die über 30 Jahre alt sind: „Mangelhaftes Lüften steht oft genug einer mangelhaften Bausubstanz gegenüber.“
Aber wenn das Gebäude selbst in einem zu schlechten Zustand sei, könnten selbst die besten Verhaltensweisen des Mieters nichts mehr bewirken: „Schimmel ist eine unglaublich überlebensfähige organische Form, die sich in Baumaterialien zurückziehen kann und sich dort auch lange totstellt.“ Und Schimmelbefall sei an sich bereits ein Indikator für Baumängel. Deswegen empfiehlt Lenferink vor dem Bezug einer neuen Wohnung eine gründliche Inspektion. Vor allem in den Eckbereichen und bei den Fußleisten – und natürlich in den Bädern. „Am besten ist, man fragt den Vormieter, wenn der nicht mehr greifbar ist, auch die Nachbarn, ob sie etwas mitbekommen haben“, empfiehlt er.

Über Aussagen wie „Schimmel haben wir nie gehabt“, kann der Experte ohnehin nur müde lächeln. Schimmelpilze können mit ihrem Wurzelsystem unglaubliche Strecken überbrücken und Flächen bevölkern. Und sie verbreiten sich über die Luft. Wie nach dem Duschen oder Baden. Dann nämlich muss man gründlich nach draußen lüften – nicht einfach die Badezimmertür offenstehen lassen. Die Luftfeuchtigkeit verteilt sich in der ganzen Wohnung und schlägt sich als Kondensflüssigkeit in kälteren Räumen wie dem Schlafzimmer nieder. „Die Leute glauben, dort könne eh nichts passieren“, sagt Lenferink. Aber gerade dort sammelt sich in Matratze und Bettwäsche jede Nacht aufs Neue Körperfeuchtigkeit an. Ideal für Schimmelpilze und andere ungeliebte Gäste.
Vollgestellte Ecken, Schränke direkt an der Wand oder ohne Füße – lauter Bereiche, die besonders anfällig sind, zählt er auf. „Wenn dem Mieter etwas auffällt, muss er es melden“, sagt Volker Spieth. Von der Selbsthilfe rät er ab: „Schimmel ist gesundheitsgefährdend.“ Und sie gehen wörtlich auf den Geist, fügt Lenferink hinzu: „Das belastet die Psyche.“

Vor Schimmel sicher ist auch nicht der Mieterverein selbst. Die Büroräume waren befallen. Die Klärung half bei der Diagnose: Das Flachdach war undicht.

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(c) 2014 Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 19.05.2014
                Von Norbert Mierzowsky