Schöne neue Wohnwelten – für viele nicht bezahlbar

Ratsherr fordert mehr günstigen Wohnraum – und bekommt Unterstützung des Sozialdezernenten

Hildesheim. Diese Worte der Bundesbauministerin Barbara Hendricks dürften Volker Spieth gefallen haben: „Wir brauchen mehr Wohnraum, der bezahlbar ist und sozialen, demografischen und energetischen Anforderungen entspricht“, sagte Hendricks vor wenigen Tagen in Berlin. Ein „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ mit Vertretern aus Politik, Mieterbund und Wohnungswirtschaft soll den Mangel an günstigem Wohnraum bekämpfen. Hendricks nimmt ganz Deutschland in den Blick – Volker Spieth denkt an Hildesheim.
Der Geschäftsführer des hiesigen Mietervereins und Grünen-Ratsherr sorgt sich um die örtliche Lage auf dem Wohnungsmarkt und fordert von der Stadt mehr Engagement bei dem Thema, das hat er jetzt mit einer schriftlichen Anfrage für seine Fraktion an Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer deutlich gemacht.

Der Wohnungsmarkt sei in Hildesheim noch nicht dramatisch angespannt, erklärt Spieth im Gespräch mit dem KEHRWIEDER – aber gespalten. Kleine, günstige Wohnungen würden knapp, und Spieth fürchtet, dass sich dieser Trend verstärkt, wenn die Stadt sich weiter heraushält. Es gibt ein Gremium, das sich mit der Entwicklung beschäftigen soll, ein- bis zweimal jährlich sollte sich der „Runde Tisch Wohnungsmarkt“ treffen, um überhaupt regelmäßig einen Überblick zu bekommen: welche Wohnungen gibt es, decken sie den Bedarf, welche Tendenzen sind zu erkennen?

Dieser Runde Tisch hat auch schon getagt – seit seiner Gründung im Jahr 2009 genau einmal.
Bereits 2011 hatte Spieth angemahnt, die Stadt müsse aktiver werden, nun unternimmt er einen neuen Anlauf. Denn angesichts der neu entstandenen Baugebiete am Weinberg, am Phönixgelände und den kommenden an der Pappelallee und auf dem Mackensen-Gelände hält er es für wichtiger denn je, die Übersicht zu behalten.

So sehr Spieth auch die bisherigen neuen Immobilien im eher höherpreisigen Bereich begrüßt („Es gibt durchaus den Bedarf“) mahnt er gleichzeitig, die sozial schwächeren Mieter in der Stadt nicht aus den Augen zu verlieren. In diesem Zusammenhang weist Spieth auch auf das noch ausstehende Wohnraumversorgungskonzept hin, das der Stadtrat im Rahmen der Haushaltsberatungen 2013 eingefordert hat. Ursprünglich hätte dies Ende 2013 vorliegen sollen, die Frist wurde später bis Mitte dieses Jahres verlängert. Von OB Meyer wollen Spieth und die Grünen nun wissen, wann dieses Konzept endlich vorgestellt werden soll. Solch ein Konzept, so der Ratspolitiker und Mieter-Lobbyist, sei Voraussetzung, um bei Bund und Land Fördermittel für Wohnungsbauprogramme zu bekommen.

Dirk Schröder, Sozialdezernent der Stadt, hat Verständnis für das Drängen Spieths. Auch er sieht eine große Herausforderung darin, für die richtige Mischung im Hildesheimer Immobilienmarkt zu sorgen.
Schröders Dezernat ist zwar nicht direkt in die Planungen für die Baugebiete Mackensen und Pappelalle eingebunden, er habe aber „intern immer wieder darauf hingewiesen, dass wir im sozialen Wohnungsbau Engagement zeigen müssen und empfohlen, für die Wettbewerbe zur Gestaltung von Mackensen und Phönix diesbezüglich klare Vorgaben zu machen“, so Schröder gegenüber dem KEHRWIEDER.

Vor einigen Wochen hat er in einem Ausschuss erklärt, „20 bis 30 Prozent Sozialwohnungen“ im Baugebiet Mackensen seien wünschenswert. Die Zahlen habe er in den Raum geworfen, um zu verdeutlichen, worum es ihm geht, sagt Schröder nun: „Wir sollten die etwa 1.300 Wohneinheiten im innenstadtrelevanten Bereich als Chance auch für den sozialen Wohnungsbau begreifen und hier Konzepte entwickeln.“ Übliche Quadratmeterpreise für barrierefreie Neubauten von zum Teil deutlich über 6,50 Euro seien für viele Familien und Senioren nicht bezahlbar.

Der Mangel an günstigen Wohnungen könne sich dadurch verschärfen, dass immer mehr Menschen vor allem im Alter vom Land in die Stadt ziehen und neben den Senioren weitere Gruppen um dieselben Objekte konkurrieren: Studenten, junge Familien mit geringem Einkommen und die Stadt selbst, weil sie die steigende Zahl von Flüchtlingen dezentral unterbringen will.

Derzeit läuft für das Mackensen-Areal ein Gestaltungswettbewerb. Die Teilnehmer haben keine konkreten Vorgaben bekommen, was die späteren Mietpreise und den Anteil von Sozialwohnungen angeht. Aber zumindest geht aus einer Stellungnahme aus der Bauverwaltung hervor, dass das Thema bezahlbarer Wohnraum nicht völlig unter den Tisch gefallen ist. So könnte man zumindest die etwas umständliche Formulierung interpretieren: „Differenzierte Wohnformen für unterschiedliche Nutzer sollen die möglichst heterogene Mischung der sozialen Zusammensetzung fördern.“ Ob dabei dann Wohnungen herauskommen, die deutlich unter 6,50 Euro pro Quadratmeter liegen, wie von Spieth und Schröder gefordert, bleibt abzuwarten.

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(c) 2014 Kehrwieder am Sonntag vom 20.07.2014
      Von Jan Fuhrhop