Geringverdiener in Not: Was wird aus dem Stromspar-Check?

Viele wollen, dass das Angebot wieder auflebt – trotzdem ruht es seit drei Jahren

Experten wissen: Alte Kühlschränke sind oft Energiefresser Nummer eins. Foto: Clemens Heidrich (Symbolbild)

Hildesheim – Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat bereits Anfang April den Startschuss zur Fortführung des Stromspar-Checks gegeben – und viele Geringverdienende, Rentner und Menschen, die Hartz IV beziehen warten wohl händeringend auf die Hilfe, die mit Blick auf die derzeit explodierenden Energiepreise Entlastung verspricht. Bei dem Angebot beraten Fachleute über Einsparmöglichkeiten im Haushalt. Darüber hinaus gibt es Soforthilfen und andere finanzielle Zuschüsse. Aber der Caritasverband musste sein Angebot schon 2019 aus finanziellen Gründen einstellen. Seither ruht das Angebot im Raum Hildesheim.

Sowohl der Kreistag als auch der Stadtrat Hildesheim haben zwar beschlossen, dass die Beratung schon 2022 wieder aufgenommen werden soll. Der Stadtrat sagte für das laufenden Jahr 10.000 Euro zu, der Kreistag sogar 20.000 Euro. Aber einen festen Zeitpunkt, bis wann das geschehen wird, gibt es noch nicht. „Die Stadt führt zur Zeit intensive Gespräche mit der Klimaschutzagentur und dem Landkreis Hildesheim“, teilt Helge Miethe, Sprecher der Stadt Hildesheim, mit. Ziel sei es, eine Institution den Stromspar-Check anbieten zu lassen. „Ob die Caritas zukünftig für den Stromspar-Check zur Verfügung steht, ist noch nicht geklärt.“

Die Caritas würde das Angebot gern wieder übernehmen

Martin Komander, Geschäftsführer der Klimaschutzagentur, bestätigt die Gespräche. Allerdings sieht es nicht danach aus, dass die Einrichtung des Landkreises die Aufgabe künftig selbst übernimmt. „Eine Alternative zu bisherigen sozialen Einrichtungen ist die Klimaschutzagentur zum jetzigen Zeitpunkt nicht“, meint Komander.

Gegenüber der HAZ bekräftigt Caritas-Vorstand John Coughlan, dass die Caritas das Angebot gern wieder übernehmen würde. Er verweist auf die Erfolge in der Vergangenheit. „Wir haben den Stromspar-Check in Hildesheim über einen Zeitraum von zehn Jahren vorgehalten und in der Zeit wurden 2733 Haushalte beraten.“ Allein im bisher letzten Jahr seines Bestehens, 2018, hätten Berater 146 Haushalte besucht, die 1965 Sparartikel im Wert von 7948 Euro erhielten. „Die durchschnittliche Entlastung pro Haushalt in 2018 betrug für Strom 165 Euro und für Wasser inklusive Wasserheizung 34 Euro“, berichtet Coughlan. Das Sparpotenzial pro Haushalt steige dabei proportional zur Kostensteigerung. Die Gesamtenergieeinsparung für 2018 habe 215.867 Kilowattstunden betragen. „Das bedeutet für die Umwelt eine Reduktion von 198.530 Kilogramm CO2.“

Mieterverein-Chef Spieth: Viele Mieter sind enttäuscht

Dass gerade Geringverdienende derzeit wegen der explodierenden Energiekosten händeringend nach Entlastungsmöglichkeiten suchen, weiß Volker Spieth, Geschäftsführer des Mietervereins Hildesheim, sehr genau. „Viele Mieter sind deshalb sehr enttäuscht darüber, dass die Beteiligten es nicht geschafft haben, das Angebot vor der Sommerpause wieder anzubieten“, sagt er. Frank Melchior, Geschäftsführer des Energie-Beratungs-Zentrums, meint, dass das „Kind“ für das laufende Jahr bereits „in den Brunnen gefallen“ sei. Vor der bald beginnenden Heizperiode sei es nicht mehr möglich, das Angebot wieder zu etablieren.

Er und auch Mieterverein-Geschäftsführer Spieth sind zudem der Meinung, dass das Angebot in der für viele bedrohlichen Situation ohnehin ausgeweitet werden müsste. „Man müsste auch die Wohnungswirtschaft, die Energieversorger und das Jobcenter mit an einen Tisch holen“, sagt Spieth. Nur so sei es möglich, ein Debakel für viele Menschen mit geringem Einkommen abzuwenden.

(c) 2022 Internetseite Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 09.07.2022 – 16:00 Uhr
Christian Harborth

Meinung

Neuauflage des Stromspar-Checks: Mehr Tempo bitte!

Hildesheim – Die Neuauflage des Stromspar-Checks ist zwar gewollt, zieht sich aber. Mit Blick auf die Energiekrise sollten die Beteiligten mehr Tempo aufnehmen, meint Redakteur Christian Harborth.

Kosten für Strom und Gas sind im Zuge des Ukraine-Kriegs explodiert. Der Stromspar-Check könnte Bedürftigen Linderung verschaffen. Foto: CHRIS GOSSMANN (Symbolbild)

Hildesheim – Für hunderte Geringverdienende, Rentnerinnen und Bezieher von staatlichen Leistungen wird es spätestens mit Beginn der Heizperiode ein böses Erwachen geben. Weil sich der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Kostenexplosion in vielen Lebensbereichen auswirkt – aber wohl nirgends mehr als bei den Heiz- und sonstigen Energiekosten. Aus diesem Grund wäre es angebracht gewesen, den Stromspar-Check zur Chefsache zu machen. Weil hier mit überschaubarem Aufwand ein enormer Einspareffekt möglich ist. Und das bei Menschen, die diese Hilfe jetzt dringend benötigen. Das Geld steht zur Verfügung. Und die Caritas würde den Job auch wieder machen. Es ist verständlich, dass die Verwaltungen von Stadt und Landkreis gründlich arbeiten. Aber wenn sie weiter so langsam vorgehen, werden hunderte Haushalte dies demnächst zu spüren bekommen. Und das kann niemand wollen.

(c) 2022 Internetseite Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 09.07.2022 – 16:00 Uhr
Christian Harborth