Wohnungen am Hildesheimer Hansering: Nach dem Ausverkauf steigen die Mieten

Erhöhung um 20 Prozent

Hildesheim – Ein Immobilienunternehmen verkauft nach und nach 204 Wohnungen einzeln an private Anleger – die Mieterinnen und Mieter bekommen nun die Folgen zu spüren.

Für die Mieter der verkauften Wohnungen am Hansering gibt es nach dem Eigentümerwechsel Mieterhöhungen. Foto: Chris Gossmann

Hildesheim – Beim Stichwort Wohnung denken die meisten vor allem an: ein Zuhause. Andere hingegen haben nicht in erster Line Heimeligkeit im Sinn, sondern Rendite. Immobilien gelten als sichere Wertanlage, angesichts des angespannten Wohnungsmarkts im ganzen Land versprechen sich Käufer nach wie vor viel von Investitionen ins so genannte Betongold.

Welche Folgen das für die Mieter haben kann, zeigt sich derzeit auch in Hildesheim am Hansering: Sie sollen nach einem Eigentümerwechsel deutlich mehr Miete zahlen, mit der Erhöhung um 20 Prozent wird die so genannte Kappungsgrenze voll ausgereizt. Damit tritt genau das ein, was viele der Bewohner und auch der Geschäftsführer des Hildesheimer Mietervereins, Volker Spieth, befürchtet hatten. Mehrere Mieterinnen und Mieter hätten sich bereits von seinem Kollegen und ihm beraten lassen, berichtet Spieth. Doch nach seinen bisherigen Einschätzungen sei das Vorgehen der neuen Eigentümer rechtlich kaum angreifbar.

Für die einen ein Zuhause, für andere „krisenfestes Anlageprodukt“

Nachdem das Mannheimer Immobilienunternehmen Alpha Real Estate im Sommer 2020 insgesamt 204 am Hansering gelegene Wohnungen übernommen hatte, begannen die Besitzer Anfang dieses Jahres, das Paket aufzuschnüren und die Wohnungen einzeln weiterzuverkaufen – als „krisenfeste Anlageprodukte“ pries Alpha sie an. Inzwischen hat das Unternehmen nach Angaben eines Sprechers rund 65 Prozent der Wohnungen in den Gebäuden mit den Hausnummern 68 bis 104 erfolgreich an die Frau und an den Mann gebracht, also etwa 130. Und die zögerten nicht lange, den Mieterinnen und Mietern schriftlich „Mieterhöhungsverlangen“ zu schicken, beziehungsweise zuschicken zu lassen – über die Alpha Property Management GmbH. Denn bei Alpha bleibt im Geschäft: Bei dem Unternehmen ist es Standard, dass die Dienstleistungssparte des Unternehmens die Verwaltung zunächst für 36 Monate übernimmt, im Anschluss könnte sich die Eigentümergesellschaft neue Dienstleister suchen.

Mietpool soll Eigentümern Sicherheit bieten

Nur eine Handvoll der Neu-Eigentümer sind zuvor Mieterinnen und Mieter gewesen, die inzwischen von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht haben. Sie sind aber wiederum ausgeschlossen von der neu gegründeten Mietpool GbR, deren Geschäfte Alpha führt und der nach Angaben des Sprechers alle anderen neuen Eigentümer auch beigetreten sind. Über die gemeinschaftliche Pool-Lösung, so das Konzept, sollen die Eigentümer weniger Risiken haben, etwa durch zeitweise Leerstände, die monatliche Miete soll weiterfließen. „Unsere Kapitalanleger erhalten bundesweit marktfähige Renditen“, so der Sprecher des Unternehmens.

Die, die indirekt für diese Renditen sorgen müssen, sind die Mieter. Da soll nun einer nun zum Beispiel 462 statt 385 Euro Kaltmiete für rund 60 Quadratmeter zahlen, genau 20 Prozent und damit die maximale Erhöhung, die innerhalb von drei Jahren erlaubt ist. Um die Erhöhung zu rechtfertigen, zieht Alpha nicht den Hildesheimer Mietspiegel heran, sondern drei höhere Vergleichsmieten anderer Wohnungen aus dem Bestand am Hansering.

Spieth: „Wohnungsnot verschärft sich“

Den Mietern bliebe nun noch der Klageweg, über Gutachten und gerichtliche Entscheidungen könnte unter Umständen letztlich geklärt werden, dass der Hildesheimer Mietspiegel mit niedrigeren Werten herangezogen werden müsste – doch dass jemand diesen langwierigen Weg mit ungewissem Ausgang beschreiten will, ist unwahrscheinlich. Volker Spieth weiß von keinem, der es darauf anlegt. Neben den individuellen Problemen einzelner Mieter, treibt ihn die Gesamtentwicklung um: Aus seiner Sicht ist der Hansering nur ein Beispiel für eine Fehlentwicklung in der Stadt. „Die Wohnungsnot verschärft sich, weil Immobilien zu Spekulationsobjekten werden.“ Er sieht die Stadt und die Wohnungsbaugesellschaften in der Pflicht, für mehr günstigen Wohnraum zu sorgen und sich gegen den Ausverkauf zu stemmen – für mehr Zuhause und weniger Rendite.

(c) 2021 Internetseite Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 28.09.2021
Jan Fuhrhop