Gasumlage und Mehrwertsteuersenkung: Die wichtigsten Antworten für Hildesheimer Kunden

Hildesheim – Die Mehrwertsteuer wird gesenkt, dafür gibt es zwei zusätzliche Umlagen – was bedeutet das für Gaskundinnen und -kunden in der Region Hildesheim? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Hildesheim – Das Erdgas wird knapp und teuer. Und der Winter steht bald vor der Haustür. Um Gaslieferanten vor der Pleite zu schützen, hat der Staat erstmals eine milliardenschwere Gasumlage beschlossen, die – zunächst befristet – von den Verbrauchern zu zahlen ist.

Was kostet mich die Gasumlage?

Die Gasspeicherumlage und die Gasbeschaffungsumlage betragen insgesamt 2,478 Cent je Kilowattstunde (kWh). Das bedeutet für einen durchschnittlichen Single-Haushalt mit einem Verbrauch von 5000 Kilowattstunden Mehrkosten von 123 Euro. Ein Zwei-Personen-Haushalt (12 000 kWh) müsste 297 Euro mehr zahlen und eine Familie im Einfamilienhaus (20 000 kWh) 495 Euro im Jahr. Es handelt sich jeweils um Netto-Preise. Die Mehrwertsteuer kommt noch hinzu. Die soll nach dem Willen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) künftig für Erdgas nur noch bei sieben Prozent liegen.

Wie lange ist die Umlage gültig?

Abgebucht werden kann die Umlage von den Versorgern ab 1. Oktober, es kann aber auch sein, dass das später mit Nachforderungen erfolgt. Sie ist zunächst bis Ende März 2024 gültig, kann aber verlängert werden, wenn es die allgemeine Lage erfordert.

Was planen die regionalen Energieversorger?

Die Energieversorgung EVI Hildesheim und das Überlandwerk Leinetal (ÜWL) erheben die Umlage ab 1. Oktober eins zu eins von ihren Kundinnen und Kunden. Wie Eon, Grundversorger in Teilen des Landkreises, mit den Umlagen umgeht, wird nach Angaben von Unternehmenssprecher Arne Schleef gerade geprüft.

Was bedeutet das für die Abschlagszahlungen?

Die EVI hatte am Mittwoch angekündigt, wegen der Umlagen die Abschläge um 40 Prozent zu erhöhen – allerdings auf Basis einer angenommenen deutlich höheren Gasspeicherumlage. Weil die nun doch geringer ausfällt als vermutet, soll die Erhöhung des Abschlags nun reduziert werden, wie EVI-Sprecher Sven Harmsen erklärt. „Eine Abschlagserhöhung um 40 Prozent wird auf jeden Fall zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr nötig sein.“ Die Höhe des neuen Abschlags stehe aber noch nicht fest.

Auch das ÜWL will die Abschläge entsprechend der Mehrbelastungen „produktscharf anpassen“, wie Geschäftsführer Frederik Wille erklärt. Eon-Kundinnen und -Kunden hingegen müssen in Sachen Abschlag selbst aktiv werden. Unternehmenssprecher Arne Schleef empfiehlt den Kundinnen und Kunden, diesen erhöhen zu lassen: „Durch angepasste Abschläge können sie mögliche Nachzahlungen in den nächsten Jahresrechnungen verhindern oder zumindest abmildern. Eine Abschlagsanpassung können unsere Kunden ganz einfach zum Beispiel online vornehmen.“

Wie wirkt sich die Mehrwertsteuersenkung aus?

Nach Meinung von Bundeskanzler Scholz sehr positiv: „Mit diesem Schritt entlasten wir die Gaskunden insgesamt deutlich stärker, als die Mehrbelastung, die durch die Umlagen entsteht, beträgt“, sagte der Kanzler am Donnerstag. Experten zweifelten gestern diese Rechnung allerdings an. EVI-Sprecher Harmsen konnte dazu am Donnerstag noch keine Einschätzung abgeben. Sein Unternehmen will Beispielrechnungen erst dann veröffentlichen, wenn die Mehrwertsteuersenkung beschlossene Sache ist.


Wie hoch ist der Anteil an Gaswärmekunden ?

Jeder zweite Haushalt ist betroffen, das geben die bundesweiten Daten an, die die Energieversorgung statistisch abbilden.

Was ist mit Kunden, die Fernwärme beziehen?

Aktuelle und künftige Fernwärme-Kunden müssen ebenfalls mit Preissteigerungen rechnen, wenn auch nicht so hoch wie beim Gas, sagte Wolfgang Dressler, Geschäftsführer des Beamtenwohnungsvereins, Ende Juli gegenüber dieser Zeitung. Mit Fernwärme sind Kundinnen und Kunden aber unabhängiger von Gaslieferungen. Die EVI ist dabei, ihr Fernwärmenetz in Hildesheim weiter auszubauen.

Wie erfahre ich, ob meine Gasrechnung teurer wird?

Als direkter Kunde muss mich mein Versorger rechtzeitig vorher informieren. Je nach Vertragsverhältnis liegen die Fristen bei vier bis sechs Wochen. Als Mieter werde ich in der Regel erst mit der nächsten Energieabrechnung informiert. Volker Spieth vom Hildesheimer Mieterverein rät, vorsorglich eine Rücklage zu bilden oder bereits vorab die monatliche Zahlung etwas zu erhöhen.

Was ist, wenn ich meine Energierechnung nicht mehr bezahlen kann?

Energieversorger können ihren Kunden nicht einfach die Verträge kündigen oder die Versorgung mit Energie einstellen, wenn die Rechnungen nicht mehr bezahlt werde können. In Hildesheim vermittelt der Mieterverein in solchen Fragen schon seit langem zwischen Mietern und Energieversorgern. Übergangslösungen wie Ratenzahlungen können vereinbart werden. In der Regel sei es jedoch so, dass die jeweiligen Vermieter die Verträge mit dem Energieversorger abschließen. An die müsse man sich als erstes wenden, wenn eine Notlage droht, sagt Spieth.

Wie erfahre ich, ob die Preiserhöhung auch korrekt ist?

Die Verbraucherzentralen empfehlen, den eigenen Energieverbrauch im Blick zu behalten, indem man zum Beispiel monatlich den Zählerstand beim Strom- oder Gasmessgerät notiert. Wie, welche Energiemenge und zu welchem Tarif abgerechnet wird, steht in der jährlichen Abrechnung des Versorgers oder des Vermieters.

Was ist mit denjenigen, die ihr Geld vom Jobcenter erhalten?

Menschen, die ihre Leistungen zum Lebensunterhalt vom Jobcenter erhalten, können weiterhin damit rechnen, dass auch die höheren Gaskosten übernommen werden, teilt Jobcenter Walter Prigge mit: „Wir schauen uns an, wie viele Menschen in der Wohnung wohnen, mit welcher Art geheizt wird und wie groß die Wohnung ist. Wenn dann der Verbrauch bezogen auf die genannten Faktoren angemessen ist, werden von uns auch die entsprechenden Kosten übernommen.“

Was ist mit Studierenden?

Bei Studierenden hat das Studentenwerk Ost bereits im April seine Preise in den Mensen um 20 Prozent erhöht, um die gestiegenen Kosten aufzufangen. Im September werden die Preise für die Vermietungen in den Wohnheimen in Hildesheim um 60 Euro erhöht. Sprecherin Christiane Thoroe empfiehlt Studierenden, BAFöG-Anträge zu stellen: „Die Voraussetzungen dafür haben sich deutlich verbessert. Viele wissen das nur noch nicht.“ In Notlagen rät sie, bei der Außenstelle des Studentenwerks in Hildesheim einen Termin zu vereinbaren, um individuelle Hilfe erhalten zu können.

Wird es Notfonds geben?

Die Regierungskoalition in Berlin hat angesichts der steigenden Lebensmittel- und Energiepreise bereits ein drittes Entlastungspaket angekündigt. Finanzminister Christian Lindner will damit aber erst bis zum kommenden Jahr warten, um zu sehen, wie die beiden ersten Pakete funktionieren.

Die niedersächsische Landesregierung hat Anfang August angekündigt, ein eigenes 100-Millionen-Euro-Paket als Notfallfonds für finanzielle Hilfen im Winter aufzulegen. Daran sollen auch die Kommunen beteiligt werden. Unsicher ist aber, ob das noch vor der Landtagswahl im Oktober auf den Weg gebracht wird und wie die Mittel konkret vergeben werden sollen.

Die Stadt Hildesheim wartet zunächst ab. Bislang gibt es laut Stadtsprecher Helge Miethe keinen konkreten Plan. Man denke über vieles nach, sehe aber zunächst einmal Bund und Land gefordert; es dürfe nicht dazu kommen, dass Menschen ihren Strom und ihr Gas nicht mehr bezahlen könnten.

Wie kann ich Energie sparen?

Wenn es kalt wird, weniger heizen. Schon ein Grad weniger spart sechs Prozent Energie ein. Zeiten der Abwesenheit und die Nacht können genutzt werden, die Heizung runterzuregulieren. Dafür eignen sich elektronische Steuerungen. Einer der größten Energiefresser im Haushalt ist mit 28 Prozent die Informationstechnik, also TV-Konsum oder der Computer. Mit 14 Prozent folgen Waschen und Trocknen.

(c) 2022 Internetseite Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 18.08.2022 – 19:03Uhr
Rainer Breda
, Norbert Mierzowsky und Sebastian Knoppik