Stabile Gaspreise gibt’s nicht umsonst

Neue EVI-Tarife: Verbraucherberatung, Mieter- und Vermieterverein
raten von Vertragsabschluss ab

(wü) Die Energiekosten kennen nur einen Weg: steil nach oben. Mit den neuen Erdgas Tarifen „Stabil“ und „Quartal“ will der Energieversorger EVI seinen Kunden etwas Ruhe an der Preisfront gönnen. Verbraucherberatung, Mieterverein sowie Haus- und Grundeigentümerverein raten von einem Vertragsabschluss ab. Ihre Empfehlung: im Normaltarif bleiben und abwarten.

Das Angebot „EVI-Erdgas-Stabil“ scheint verlockend: Ein Jahr lang bleibt der Gaspreis konstant – egal wie hoch die Tarife in der Zeit noch klettern. Diese Offerte macht EVI momentan rund 20 000 seiner insgesamt 35 000 Kunden. Doch Stabilität gibt’s nicht umsonst. Wer den Vertrag unterschreibt, bezahlt auf Anhieb 5,55 Cent mehr pro Kubikmeter. Immerhin ein Plus von nahezu zwölf Prozent. Ob sich der Vertrag für die Verbraucher rechnet, steht in den Sternen. Das Risiko sei für beide Seiten, also EVI und Kunden, gleichermaßen schwer zu kalkulieren, lässt der Energieversorger verlauten.

Zur Auswahl steht zudem ein Tarifmodell „Erdgas-Quartal“. Gegen einen Aufschlag von 1,52 Cent pro Kubikmeter passt EVI bei dieser Variante den Gaspreis zum Quartalsbeginn dem aktuellen Stand an, nach oben wie nach unten. Als Grundlage dient der durchschnittliche Mittelwert des Ölpreises in dem Zeitraum. Die Unsicherheit ist groß. „Unsere Mitglieder rennen uns die Bude ein“, sagt Broder Bösenberg, der Geschäftsführer des Haus- und Grundeigentümervereins. Und auch beim Mieterverein häufen sich dieser Tage die Nachfragen. „Viele wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen“, meint Geschäftsführer Volker Spieth. Die Zeit drängt, jedenfalls in Sachen „Erdgas-Stabil“. Dieses EVI-Angebot läuft zum 31. Oktober aus. „Wir empfehlen unseren Mitgliedern, im Normaltarif zu bleiben und abzuwarten“, sagen Bösenberg und Spieth. Und das aus mehreren Gründen. Wer dem „Stabil“-Tarif zustimme, willige quasi einer sofortigen Erhöhung um zwölf Prozent zu. Zwar sei fast sicher, dass EVI zum 1. Januar erneut an der Preisschraube drehe, doch wie stark und ob es danach weitere Anhebungen gebe, sei ungewiss. „Für EVI rechnet es sich in jedem Fall, für den Verbraucher erst, wenn der Preis um mehr als zwölf Prozent steigt“, sagt Volker Spieth. Broder Bösenberg führt noch ein anderes Argument gegen den „Stabil“-Vertrag ins Feld. Wer den unterschreibe, verbaue sich die Möglichkeit, die nächste Preiserhöhung zu boykottieren. Mieter- und Vermieterverein hatten Ende Juli empfohlen, künftige Aufschläge nicht oder nur unter Vorbehalt zu zahlen. Bundesweit wehren sich inzwischen mehr als hunderttausend Gaskunden auf diese Art und Weise gegen die ihrer Ansicht nach überhöhten Gaspreise.

Bösenberg weist darauf hin, dass derzeit eine Fülle von Klagen in dieser Angelegenheit läuft. Nach einem ersten Urteil eines Hamburger Gerichtes seien die Aussichten, dass die Gasversorger ihre Kalkulation offen legen müssen, nicht schlecht. „Außerdem ist jetzt auch die Kartellbehörde aktiv geworden.“ Es könne durchaus sein, dass es vorerst keine weiteren
Erhöhungen geben werde. „Die ,Stabil’-Kunden wären dann die Gekniffenen“, sagt Spieth.

Manfred Dimmann, Energieberater des Deutschen Hausfrauen-Bundes, hält auch vom Tarif „Erdgas-Quartal“ recht wenig. Dass die Preise stets dem aktuellen Marktstand angepasst sind, müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, sagt er. Dafür einen Aufschlag zu verlangen, sei nicht redlich. „Bei beiden neuen Tarifmodellen sind die Vorteile für die EVI-Kunden eher gering.“
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(c) 2005 Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 15.10.2005