Mietmarkt Hildesheim – „entspannt, aber gespalten“

Sie sind nicht so weit voneinander entfernt. Auf die Frage nach dem Mietwohnungsmarkt in Hildesheim Stadt und Landkreis sagt beispielsweise der Geschäftsstellenleiter Uwe Stoll des Vereins Haus und Grund, der die Interessen von Eigentümern vertritt: „Recht entspannt.“ Ähnlich sieht es Volker Spieth als Geschäftsführer des Mietervereins. Er beantwortet die Frage allerdings einschränkend mit „noch entspannt, aber zunehmend gespalten“. Gespalten, weil seiner Ansicht nach in Teilmärkten Knappheit besteht.
Stark nachgefragt seien – und damit liegt Hildesheim im bundesweiten Trend – kleine Wohnungen. Hat ein Objekt zwischen 50 und 75 Quadratmeter Wohnfläche, ist es begehrt. Vermieter bleiben nicht lange auf ihrem Eigentum sitzen. Das gilt umso mehr, wenn Lage und Ausstattung stimmen. Dann zahlt der Mieter auch klaglos eine höhere Miete. Wenn er denn kann.

Hier sieht Volker Spieth das Problem, das seiner Meinung nach künftig größer werden könnte. Es herrsche nämlich Knappheit an kleinen Wohnungen, die zudem altengerecht und bezahlbar seien. Der Mieterverein bezeichnet diesen Zustand als „graue Wohnungsnot“.
Dem gegenüber scheint der Markt für exklusive, gut gelegene Mietobjekte zu wachsen. Das beobachtet jedenfalls der Vertreter der Immobilien-Eigner. „Die Lage ist entscheidend“, sagt Uwe Stoll. In Hildesheim seien derzeit der Kalenberger Graben, das Hohnsenviertel, Alte Venedig, Weinberg, Sedanstraße, Teile der Oststadt und des Galgenbergs und der Ortsteil Itzum bei Mietern besonders beliebt. Schwieriger zu vermarkten seien mittlerweile Wohnungen in Himmelsthür und Ochtersum.

Erkannt hat man beim Verein Haus und Grund die Notwendigkeit, auf demografische Entwicklungen zu reagieren. „Es gibt zu wenig barrierefreie Wohnungen in Hildesheim. Da versuchen wir auch auf unsere Mitglieder einzuwirken“, sagt Stoll. Momentan sei das Problembewusstsein jedoch noch nicht ausreichend vorhanden.
Ein weiteres Problem sieht Stoll darin, dass die Stadt Hildesheim in naher Zukunft keine weiteren Baugebiete ausweisen will. Geplant ist lediglich die Urbanisierung des einstigen Mackensen-Kasernengeländes an der Senator-Braun-Allee. Diesen Standort „sehen unsere Mitglieder mit Skepsis“, weiß Stoll. Und das, obwohl einige von ihnen durchaus gern Geld für den Wohnungsbau in die Hand nehmen würden.

Andere Sorgen kennt Volker Spieth. Beispielsweise die der Mieter aus dem Fahrenheitsgebiet. Nachdem ihre Wohnungen aufwendig saniert wurden, können viele von ihnen ihre Mieten nicht mehr zahlen. „Hier leben einkommensschwache oder Menschen, die von Transferleistungen leben. Jetzt müssen sie so hohe Nebenkosten zahlen, dass sie die höchste Warmmiete in ganz Hildesheim zahlen. Für viele bedeutet das auf Sicht, ausziehen zu müssen.“ Hier scheint es sich um einen typischen Fall von Gentrifizierung (das Wort beschreibt sozioökonomische Umstrukturierungsprozesse in städtischen Wohngebieten) zu handeln, wie man ihn sonst nur in Metropolen beobachtet. Der Mieterverein vertritt 40 bis 50 Fälle von dort. „Das zieht sich seit sieben Jahren hin“, sagt Spieth.

Große Probleme sieht Spieth auch darin, dass der „soziale Wohnungsbau am Boden liegt“. Nur noch ein bis zwei Prozent der Wohnungen seien gebunden und neue Objekte kämen nicht hinzu. Ohne Förderprogramme von Bund oder Land wird sich seiner Meinung nach auch nichts ändern. Das sieht Uwe Stoll als Vertreter der Eigentümer ebenso. Ohne finanzielle Anreize würden keine neuen bezahlbaren Wohnungen gebaut werden. „Dafür ist ein Neubau heute viel zu teuer“, sind sich beide einig.

Ein wenig Hoffnung schöpft Spieth aber doch: Die Landesregierung meldete im September, dass im Haushalt kurzfristig etwa 10 Millionen Euro für ein neues Wohnbauförderprogramm freigegeben werden sollen. Damit will man Investoren mit bis zu 60  000 Euro pro Wohnung unterstützen, wenn sie neu bauen und sich verpflichten, anschließend eine Begrenzung der Mieten hinzunehmen. „Das ist zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin ein Anfang“, sagt Spieth. Allerdings befürchtet er, dass der finanzielle Segen an Hildesheim vorbeigehen könnte, denn es heißt, dass das Land als Voraussetzung für diese Förderung von den Kommunen und der Wohnungswirtschaft ein „kommunales Wohnraumversorgungskonzept“ verlangt, das es für Hildesheim jedoch (noch) nicht gibt. Es zu erstellen, hält der Geschäftsführer, der auch Politiker im Stadtrat Hildesheim ist, deshalb für äußerst sinnvoll. Als Grünen-Abgeordneter will er mit dafür sorgen, es politisch auf den Weg zu bringen.

In ihrem Miteinander sehen sich Mieterverein und der Verein Haus und Grund übrigens als Schlichtungsstelle: Immer wenn der Ärger groß wird, versucht man außergerichtliche Einigungen zu erzielen. „Nur drei bis vier Prozent der Streitigkeiten werden gerichtlich geklärt. Alles andere bekommen wir vorher hin“, sagt Spieth.

Der Mieterverein hat rund 3200 Mitglieder, Haus und Grund vertritt 2000 Mitglieder mit etwa 10 000 Objekten.

 

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(c) 2012 Beilage Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 03.11.2012