Wer Leerstand in Wohnraum umwandelt, kann in Hildesheim Geld von der Stadt bekommen – doch das will kaum jemand haben

Hildesheim – In Hildesheim stehen 1300 Wohnungen leer, gleichzeitig fehlt preiswerter Wohnraum. Um beide Probleme zu lindern, bietet die Stadt Eigentümern Zuschüsse an, wenn diese leerstehende Wohnungen wieder auf den Markt bringen. Hunderttausende Euro stehen dafür bereit. Doch bislang ist kaum Geld abgerufen worden. Warum?

In Hildesheim stehen 1300 Wohnungen leer, gleichzeitig fehlt preiswerter Wohnraum – die Stadt will mit einem Zuschussprogramm Abhilfe schaffen. Doch das ist bislang kaum nachgefragt. Foto: Chris Gossmann

Hildesheim – Die Idee klang so simpel wie überzeugend: Die Stadt zahlt Vermietern Zuschüsse, wenn diese seit längerem leerstehende Wohnungen wieder auf den Markt bringen, sie bei Bedarf zuvor sanieren und eine niedrigere Miete in Kauf nehmen, um Menschen mit wenig Geld ein Dach über dem Kopf zu geben. Und damit das Ganze nicht am Geld scheitert, stockte der Rat das Budget des von der Verwaltung entwickelten Programms sogar noch auf, als dieses im Herbst 2022 verabschiedet wurde.

17 bis 40 Anträge im Jahr hatte die Stadt seinerzeit für die drei Zuschusskategorien erwartet. Tatsächlich sind bislang nur zwei im Rathaus eingegangen, beide wurden bewilligt. Von einem Flop will man dort gleichwohl nichts wissen.

Hildesheimer Stadtverwaltung redet schlechte Resonanz nicht schön – doch sieht Gründe dafür

„Natürlich wünschen wir uns eine stärkere Nachfrage“, sagt Wohnungsmarktkoordinatorin Miriam Eckert. Auch Planungsamtschefin Sandra Brouër räumt ein, dass das „Kommunale Initiativförderprogramm zur Aktivierung des Wohnraumleerstandes zur Schaffung von preiswertem Wohnraum“ noch nicht richtig gezündet hat. Doch dafür gibt es aus Sicht der beiden Frauen auch gute Gründe.

So sollte der Startschuss eigentlich bereits 2023 fallen. Doch weil Eckerts Vorgängerin damals zum Jahreswechsel in eine andere Kommune wechselte, blieb die Stelle über Monate vakant. Als die neue Koordinatorin dann im Herbst anfing, musste sie zunächst die Ausschreibung für einen „Modernisierungsberater“ auf den Weg bringen. Denn wer in den Genuss des Zuschusses für eine Sanierung oder eine Nutzungsänderung von Gewerbe- in Wohnraum kommen will, muss diese Beratung zwingend in Anspruch nehmen. „Um zu schauen, ob das Vorhaben überhaupt sinnvoll ist“, erklärt Eckert. Sie musste zudem weitere Formalien erledigen.

Und so sei das Programm eigentlich erst so richtig im vergangenen Jahr ins Laufen gekommen, betont Planungsamtschefin Brouër – für ein Fazit sei es daher viel zu früh. Einen eindeutigen Trend wollen aber weder sie noch Eckert schönreden: Die bisherige Nachfrage konzentriert sich allein auf den Sanierungszuschuss. Je Wohnung und Jahr können Vermieter hier auf bis zu 30.000 Euro hoffen. Genau in diese Kategorie fallen auch die zwei bewilligten Anträge. Zudem seien noch zwei andere Beratungen erfolgt, berichtet Eckert, zwei weitere seien geplant.

1000 Euro für eine Wiedervermietung nach mindestens sechs Monaten Leerstand – aber keiner will sie

Als echter Ladenhüter erweist sich dagegen bisher die „Wiedervermietungsprämie“: Hier winken Eigentümern 1000 Euro, die aber noch kein einziges Mal in Anspruch genommen wurden. „Es gab immerhin schon Anrufe dazu“, sagt Eckert. Nicht einmal das verzeichnet die Stadt in der dritten Kategorie, dem „Ankauf einer Mietpreis- und Belegungsbindung“: Hier können Eigentümer Zuschüsse bekommen, wenn sie die Miete über fünf bis zehn Jahre so niedrig halten, dass Menschen mit weniger Geld sich die entsprechende Wohnung leisten können.

Doch warum hält sich das Interesse an den Zuschüssen so in Grenzen? Weil das Programm noch nicht bekannt genug sei, meint Volker Spieth, finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Ratsfraktion und Geschäftsführer des Mietervereins. Spieth ist von dem Angebot nach wie vor überzeugt: Er hat mit der Mehrheitsgruppe aus SPD, Grünen und der PARTEI dafür gesorgt, den größten Teil der bisher nicht ausgegebenen Haushaltsmittel auf dieses Jahr zu übertragen.

Auch Sebastian Graue, der Hildesheimer Geschäftsstellenleiter des Haus- und Grundeigentümervereins, findet das Leerstand-Aktivierungsprogramm gut. Die Stadt müsse es vielleicht mehr publik machen, meint er; sein Verein habe sogar selbst schon in der Zeitschrift für seine (insgesamt 1200) Mitglieder darüber berichtet. Doch die scheuten sich bislang davor, die Zuschüsse zu beantragen, sagt Graue. Er führt das zum Teil auf grundsätzliche Vorbehalte zurück. So hätten einige Eigentümer mit manchen Mietern derart schlechte Erfahrungen, dass sie ihre Wohnungen inzwischen lieber leer stehen ließen. Außerdem gebe es die Sorge, der bürokratische Aufwand könnte zu groß sein.

Diese Bedenken müsse niemand haben, versichert Wohnungsmarktkoordinatorin Eckert. „Wir helfen gern.“ Dass das Programm nicht bekannt genug sei, glauben weder sie noch Brouër so recht: Die Stadt habe die Möglichkeiten dazu ausgeschöpft, meint Eckert.

Sie hat sogar das Fördergebiet – das im Norden vom Bahnhof, im Süden von der Schuhstraße, im Westen von der Marie-Wagenknecht-Straße und im Osten von der Achse Bahnhofsallee/Zingel begrenzt wird – zu Fuß durchwandert, um die Leerstände genau auszumachen und die jeweiligen Eigentümer auf das Programm hinweisen zu können. Sie habe rund 200 Briefe verschickt, berichtet die Koordinatorin – so sei einer der beiden bewilligten Anträge zustande gekommen. Es sei eben schwierig, die Eigentümer zu erreichen, betont Rathaussprecher Helge Miethe.

Verwaltung kündigt für den Herbst einen Zwischenbericht für die Hildesheimer Stadtpolitik an – mit Änderungsempfehlungen

Man werde die Entwicklung jetzt in den nächsten Monaten genau verfolgen, sagt Planungsamtschefin Brouër: Im Herbst werde die Verwaltung der Politik dann eine erste Zwischenbilanz vorlegen und eventuell auch Änderungen vorschlagen – bei den Richtlinien für die Zuschüsse, vielleicht auch beim Zuschnitt des Fördergebiets. Denn es gebe auch Anfragen aus Nachbargebieten der Innenstadt, die derzeit aber nicht mit Zuschüssen bedacht werden dürften. Das Programm ist bislang auf drei Jahre angelegt.

Grünen-Politiker Spieth erhofft sich einen Schub von der Zweckentfremdungssatzung. Diese soll nach dem Willen der Mehrheitsgruppe in diesem Jahr in Kraft treten, die Stadt könne dann Druck auf Vermieter ausüben, die längere Leerstände zu verantworten haben. „Ich kann mir schon vorstellen, dass der eine oder andere Eigentümer dann doch darüber nachdenkt, das Programm in Anspruch zu nehmen.“

Wohnungsmarktkoordinatorin Eckert mag das nicht ausschließen. Doch sie ist zwiegespalten: Wenn jemand erst einen Kredit aufnehmen müsse, um eine leerstehende Wohnung wieder vermietungsfähig zu machen, sich dieses aber eigentlich nicht leisten könne, daran werde auch ein Bußgeld nicht ändern, meint die Stadtmitarbeiterin. Sie dürfte bald auch ohne Zweckentfremdungssatzung die nächsten Zuschussanträge auf den Tisch bekommen: Der Haus- und Grundeigentümerverein plane, diese für einige seiner Wohnungen in der Osterstraße zu stellen, kündigt Graue an. „Wir wollen sehen, ob das läuft oder wirklich so kompliziert ist, wie einige unserer Mitglieder befürchten.“

Informationen über das Programm gibt es im Internet unter der Adresse:
www.stadt-hildesheim.de/leerstandsaktivierung. (Stand 24.01.2025)

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Rainer Breda