Bringt die neue Grundsteuer für viele Mieter in Hildesheim bald eine böse Überraschung?

Hildesheim – Eigentümerverband Haus & Grund warnt vor Spätfolgen der Reform und fürchtet, dass viele Vermieter aufgeben könnten – warum? Und was kritisiert der Verband noch? Und: Wie kommt eigentlich der Messbetrag je Grundstück zustande?

Wer zur Miete wohnt, spürt die Auswirkungen der Grundsteuerreform vermutlich ein Jahr später als die Immobilienbesitzer
Foto: Chris Gossmann

Hildesheim – Geben durch die Neuordnung der Grundsteuer viele Hildesheimer Immobilien-Eigentümer die Vermietung von Wohnungen auf? Oder wird Wohnen für viele Mieterinnen und Mieter teurer, was aber erst Anfang nächsten Jahres so richtig deutlich wird? Diese Befürchtungen äußert der Eigentümerverband Haus & Grund und hat sich unter anderem deshalb an die Stadt Hildesheim gewandt. Er kritisiert zugleich das Zustandekommen der neuen Steuersätze und bittet dazu um Gespräche im Rathaus – ein Ansinnen, mit dem Haus & Grund allerdings deutlich zu spät kommen und zudem zumindest teilweise an der falschen Adresse landen würde.

Hebesätze steigen und fallen

Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019 war es bundesweit zu einer großen Grundsteuerreform gekommen, die zu Beginn dieses Jahres in Kraft getreten war. Im Zuge der Reform waren alle Grundstücke neu bewertet und entsprechend mit einem neuen Messbetrag versehen worden. Grob gesagt, wurden ältere Immobilien oft höher bewertet als zuvor, neuere oft weniger hoch. Die Städte und Gemeinden sollten im Zuge dessen ihre Hebesätze – die zur Ermittlung der Grundsteuerbelastung des Einzelnen mit den Messbeträgen multipliziert werden – so anzupassen, dass die Kommune unterm Strich durch die Grundsteuer nicht mehr und nicht weniger einnimmt als vorher.

Praktisch kam es also zu einer Umverteilung der Steuerbelastung unter den Immobilien-Eigentümern – mit am Ende unveränderten Gesamteinnahmen für die Kommune. In Hildesheim zum Beispiel stieg der Hebesatz in diesem Zuge von 650 auf 822 Prozent – um auszugleichen, dass viele Immobilien niedriger bewertet wurden als bislang. Im Kreis Hildesheim waren die Hebesätze in elf Kommunen gesunken, in sieben gestiegen und in zweien gleichgeblieben.

Bescheide als Weckrufe

Die politische Debatte dazu in den Kommunen lief im Herbst, vielerorts fielen im November oder Dezember die Entscheidungen über die neuen Hebesätze öffentlich in den Räten. Dass Haus & Grund erst jetzt darauf reagiert, erklärt Geschäftsstellenleiter Sebastian Graue damit, dass viele Immobilien-Eigentümer erst nach Erhalt ihrer neuen Steuerbescheide im Januar bemerkt hätten, welche zusätzliche Belastung zum Teil auf sie zukommt. Tatsächlich hatten Verwaltungs-Vertreter aus der Region schon im Vorfeld befürchtet, es werde nach Versenden der neuen Bescheide noch einmal zu Protesten kommen.

Haus & Grund warnt nun indes vor allem vor möglichen Auswirkungen auf örtliche Vermieter weniger Wohnungen sowie auf Mieter allgemein. Wer für seine Immobilie eine deutlich höhere Grundsteuer zahlen müsse als bislang, könne diese schließlich über die Nebenkostenabrechnung auf die Mieter umlegen. Und das kann verschiedene Folgen haben, stellt Sebastian Graue fest. „Manche Vermieter sagen, sie müssten die Kaltmiete senken, damit sich die Bewohner überhaupt noch die Wohnungen leisten können, wenn die Nebenkosten steigen“, sagt der Haus & Grund-Vertreter. „Oder sie schlagen die Mehrkosten eben drauf, und dann wird es für manche Mieter auf dem ohnehin schon schwierigen Hildesheimer Wohnungsmarkt noch enger.“

Geben Kleinvermieter auf?

Doch immer mehr Vermieterinnen und Vermieter wollten sich dieser Frage gar nicht mehr stellen, berichtet Haus&Grund-Vertreter Graue: „Die sagen: Jetzt reicht’s mir, ich verkaufe.“ Was die Tendenz verstärken könnte, dass immer mehr Wohnungen in den Händen größerer, meist nicht aus Hildesheim stammender Privatpersonen oder Unternehmen landen könnten.

Das Vermietungsgeschäft drohe also insgesamt unpersönlicher zu werden. Neue Vermieter könnten vielleicht auch weniger Rücksicht auf die Belange selbst langjähriger Mieter nehmen. „Ein erheblicher Teil der Wohnungen gehört einheimischen sogenannten Kleinvermietern – wenn sich das ändert, hat das durchaus gesellschaftliche Folgen“, mahnt Graue. Natürlich gebe es auch viele Vermieter, die künftig weniger Grundsteuer abführen müssten – aber eben auch viele, bei denen es zum Teil um ein Vielfaches mehr wird.

Mieter bekommen 2026 neue Nebenkosten-Abrechnungen

Neben dem aktuellen Unmut könne es deshalb vor allem Anfang nächsten Jahres noch einmal zu großem Ärger kommen könnte. Denn dann seien auch Mieterinnen und Mieter über die Nebenkosten-Abrechnung erstmals bei der neuen Grundsteuer gefragt. Und so wie jetzt manche Vermieter nach Erhalt des Grundsteuerbescheides aus allen Wolken gefallen sind, könne dies Anfang nächsten Jahres für viele Mieterinnen und Mieter nach Erhalt der Nebenkosten-Abrechnung gelten.

Volker Spieth, Geschäftsführer des Mietervereins in Hildesheim, teilt Graues Sorge durchaus. „Natürlich gibt es auch Reduzierungen bei der Grundsteuer“, stellt er fest. Aber gerade für Mehrfamilienhäuser in innenstadtnahen Bereichen würde der Messbetrag und damit auch am Ende der Steuersatz tendenziell eher steigen – und das in einem Bereich, in dem vor allem viele einkommensschwache Mieterinnen und Mieter leben.

Spieth, der für die Grünen auch im Stadtrat sitzt, kritisiert indes die Hebesatz-Erhöhung durch die Kommune. Für dieses Jahr habe die Stadt einen Herbesatz von 822 Prozent festgesetzt, und das sei auch rechtlich richtig gewesen, um die Gesamteinnahme stabil zu halten. Allerdings habe die Stadt schon im Vorjahr den Hebesatz massiv erhöht – und somit den Boden für die jetzige erneute Anhebung bereitet.

Finanzamt setzt Messbeträge fest

Die Kommune beschließt den Hebesatz, mit dem der Messbetrag der eigenen Immobilie multipliziert wird – daraus ergibt sich die Grundsteuerlast. Doch im Zuge der jüngsten Grundsteuerreform kam vor allem eine Frage immer wieder auf: Wie wird eigentlich der Messbetrag festgesetzt?

Die Frage ist deshalb so relevant, weil deutlich höhere Grundsteuersätze ihren Ursprung vor allem im Messbetrag haben – denn die Hebesätze sind verhältnismäßig moderat erhöht und vielerorts sogar reduziert worden. Die Messbeträge je Immobilie aber, die das Finanzamt Hildesheim-Alfeld festgelegt hat – die haben sich teilweise gravierend verändert, bis über das Zehnfache des bisherigen Wertes hinaus.

Angaben korrigieren

Wie entsteht also der Messbetrag? Die Finanzbehörden sprechen von einem „einfachen und gut verständlichen Modell“. Das allerdings liegt im Auge des Betrachters: Das Grundstück wird mit 4 Cent pro Quadratmeter angesetzt, Wohnflächen mit 35 Cent pro Quadratmeter, Nutzflächen mit 50 Cent pro Quadratmeter. Diese Werte werden mit dem „Lage-Faktor“ multipliziert. Dieser ergibt sich aus dem vom Katasteramt festgesetzten Bodenrichtwert für das Grundstück, der aber noch einmal mit dem durchschnittlichen Bodenrichtwert der gesamten Kommune in Relation gesetzt wird – mit dem Ziel, Immobilien in besserer Lage auch höher zu besteuern.

Dabei nutzte das Finanzamt die Daten, die die Immobilienbesitzer in ihren Grundsteuererklärungen angegeben hatten. Ein häufiger Fehler dabei: Das ganze Grundstück wurde als Nutzfläche deklariert – entsprechend viel höher ist im Ergebnis der Steuermessbetrag. Nach wie vor können Bürgerinnen und Bürger, denen ihr Steuerbescheid zu hoch erscheint, ihre Angaben beim Finanzamt korrigieren.

(c) 2025 Internetseite Hildesheimer Allgemeine Zeitung 17. März 2025 – 5:54 Uhr
aktualisiert 17. März 2025 – 15:18 Uhr
Tarek Abu Ajamieh