Sarstedter Familie wird wegen Eigenbedarfs gekündigt, dann steht das Haus jahrelang leer: Welche Rechte haben Mieter?

Wohnen
Einer Sarstedter Familie wird wegen Eigenbedarfs gekündigt. Doch dann steht das Haus jahrelang leer. Welche Rechte Mieter in solchen Fällen haben.

Sarstedt – Die Sarstedterin ist enttäuscht. 29 Jahre hat sie gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Tochter in einem Haus in Schliekum gewohnt. Doch dann fiel die Familie 2018 aus allen Wolken. Der Vermieter meldete Eigenbedarf an. Die Familie sollte nach fast drei Jahrzehnten ausziehen, weil der Vermieter das Haus barrierefrei umbauen und dann selbst bewohnen wollte.

Das ist grundsätzlich rechtlich auch in Ordnung. Und zwar in den Fällen, in denen entweder der Besitzer selbst oder nahe Verwandte in das Haus einziehen. Dazu zählen zunächst Kinder, Eltern, Enkel und Großeltern, aber laut Entscheidungen des Bundesgerichtshofs auch Geschwister, Stiefkinder, Nichten und Neffen. Sollen lediglich entfernte Verwandte wie Onkel, Cousins oder geschiedene Ehegatten einziehen, ist eine Eigenbedarfskündigung hingegen unwirksam.

„Das Haus steht seit unserem Auszug leer“

Der Vermieter der Sarstedterin, der in einem Haus in einem anderen Ortsteil lebt, wollte aber selbst in das Haus einziehen. So kündigte er es jedenfalls gegenüber seinen Mietern an. Doch die wollten das schon damals nicht so recht glauben und legten Widerspruch ein. Es kam zu einer sogenannten Güteverhandlung vor dem Amtsgericht. Das Ergebnis: Sollte der Vermieter nicht tatsächlich das gekündigte Haus selbst nutzen, wird Schadensersatz fällig.

Genau das hat sich nun nach Angaben der Sarstedterin bewahrheitet. „Das Haus steht seit unserem Auszug leer und es werden auch keine Umbaumaßnahmen vorgenommen“, sagt die Frau: „Er lässt das einfach so verfallen.“ Sie zeigt Bilder, auf denen zu sehen ist, wie in der Hauseinfahrt das Unkraut sprießt. Im Winter werde das Haus nicht geheizt.

Knappe Äußerung des Vermieters

Der Vermieter äußerte sich auf HAZ-Anfrage nur knapp zu dem Fall. Er deutet an, dass er sehr wohl noch plant, das Haus umzubauen und dann einzuziehen. „Ich mache das erst mal in Eigenregie und dann dauert es.“ Dass bislang noch keine Baumaßnahmen begonnen haben, so deutet er an, hänge auch mit den gestiegenen Kreditzinsen zusammen.

Der Mieterverein Hildesheim führt zwar keine Statistik über Fälle, zu denen sich die Mitglieder beraten lassen, aber in etwa fünf bis zehn Prozent gehe es um Eigenbedarfskündigungen, schätzt Geschäftsführer Volker Spieth. Und auch Fälle von vorgeschobenen Eigenbedarf sind immer mal wieder darunter. Dass eine Wohnung oder ein Haus dann wie im Schliekumer Fall zunächst gar nicht vermietet wird, ist dabei eher ungewöhnlich. Vielmehr gehe es meist darum, an einen neuen Mieter und dann natürlich auch teurer zu vermieten, so Spieth: „Das steckt oftmals dahinter.“

Anspruch auf Schadensersatz

Grundsätzlich haben Mieter bei einem sogenannten vorgetäuschten Eigenbedarf Anspruch auf Schadensersatz. Das gilt etwa für alle Kosten im Zusammenhang mit dem unfreiwilligen Umzug. Aber auch die Kosten für die Renovierung der neuen Wohnung oder die Differenz bei einer teureren Miete können geltend gemacht werden. Die Sarstedter Familie hat sich von einem Anwalt beraten lassen. Dieser hat davon abgeraten, den Schadensersatz geltend zu machen, da er zu wenig Aussicht auf Erfolg sieht. „Selbst in der Situation hat man keine Handhabe“, bilanziert die Sarstedterin frustriert. Mieterverein-Vertreter Spieth sieht das nicht ganz so pessimistisch. Schließlich hätte die Familie in den vergangenen drei Jahren noch in dem Haus wohnen können. „Da müsste wirklich eine gute Erklärung her.“

Beratung sinnvoll

Mieter sollten sich auf jeden Fall beraten lassen, wenn eine Eigenbedarfskündigung ins Haus flattert, rät Spieth. Das gilt natürlich insbesondere dann, wenn man den Verdacht hat, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben ist. In einem solchen Fall besteht die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen, erläutert Spieth. „Dann müsste es am Ende aller Tage vor Gericht entschieden werden.“

Die Sarstedterin könnte Mehrkosten für die Miete ohnehin nicht als Schadensersatz geltend machen. Denn sie ist in das geerbte Haus ihrer Mutter in der Sarstedter Kernstadt eingezogen. Dazu musste sie übrigens den bisherigen Mietern wegen Eigenbedarfs kündigen. Allerdings ist sie mit ihrer Familie dann tatsächlich auch in das Haus eingezogen.

(c) 2024 Internetseite Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 16.06.2024 – 20:01 Uhr
SEBASTIAN KNOPPIK