Schimmel, Randale und unattraktive Lage

Hildesheim – Warum stehen in Hildesheim Wohnungen leer, wenn gleichzeitig hunderte Menschen auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum sind? Um Antworten auf diese Frage zu finden, haben sich jetzt im Puls erstmals alle Parteien im Immobiliensektor an einen Tisch gesetzt.

Mit dabei waren Elke Onken von der Leerstandsinitiative, Volker Spieth, Geschäftsführer vom Mieterverein Hildesheim und Umgebung, und Miriam Eckert, seit Oktober Wohnungsmarktkoordinatorin der Stadt Hildesheim. Eingeladen hatte der Haus- und Grundeigentümerverein, Geschäftsstellenleiter Sebastian Graue moderierte den Abend, der vor allem in eine Erkenntnis mündete: Es ist eine Vielzahl von Problemen, die zu der Misere führen – von schlechten Erfahrungen mit Mietnomaden über Schimmel bis zum unattraktiven Umfeld in der Innenstadt.

Gespräche gegen Leerstand

Elke Onken, die selbst Vermieterin ist, hatte mit ihren Mitstreitern durch eine Plakataktion Leerstände angeprangert. Ihr Ziel: Aufmerksamkeit schaffen und in offenen Gesprächen Probleme thematisieren, ohne nach Schuldigen zu suchen. Denn in Zeiten von Wohnraumknappheit habe sie kein Verständnis für langjährigen Leerstand. Der mindere auch den Wert der benachbarten Immobilien und helfe weder dem Stadtbild, noch den Wohnungssuchenden.

Spieth mahnte: „Die Wohnungsnot trifft Einkommensschwache, aber auch den Mittelstand. Demgegenüber stehen strukturellere Leerstände. Dafür muss es Lösungen geben, und wir diskutieren gerne mit.“ Die Frage, warum es im Bereich Stadtmitte und Neustadt mit knapp unter vier Prozent den höchsten Leerstand gibt, blieb am Donnerstag offen, denn die größeren Vermieter, die in diesem Bereich Immobilien besitzen, waren nicht dabei. Trotzdem gab es einen regen Austausch zu möglichen Gründen und Problemen, weil andere Vermieter mitdiskutierten.

Schlechte Erfahrungen gemacht

Wie Graue berichtete, haben einige Vermieter schlechte Erfahrungen gemacht: „Mieter ziehen aus und lassen alles zurück, was sie nicht gebrauchen können“. Es gehe aber nicht nur um Verwüstung, Zigarettenrauch oder Müll im Keller. Auch Schäden in fünfstelliger Höhe seien nach Auszügen entdeckt worden. Kosten, auf denen viele Vermieter sitzen blieben. Denn eine Vollstreckung von Urteilen bleibe oft aus, weil es bei den Mietern nichts zu holen gäbe.

Um das Risiko für Vermieter zu senken, schlug Graue vor, sich an dem Karlsruher Modell zu orientieren. Dort vermieten Eigentümer ihre Wohnung zunächst an die Stadt. Die wiederum stellt die Wohnung potenziellen Mietern zur Verfügung. Haben die Mieter bewiesen, dass sie seriös sind, schließen die Vermieter einen richtigen Wohnraumvertrag mit ihnen ab.

Innenstadtlage uninteressant

Ein weiteres Problem laut Graue: Schimmel. Der sei oft aber gar nicht auf die Bausubstanz, sondern auf falsches Lüften zurück zu führen. Das habe er selbst in einer Immobilie in Hildesheim erlebt, wo durch eine Beratung das Lüftverhalten und damit auch das Schimmelproblem verbessert wurde.

Auch die etwa 30 Zuhörer äußerten sich zu dem Thema. Manche forderten die Ahndung von Zweckentfremdung, wenn Vermieter ganze Häuser bewusst leer stehen lassen, um von Steuerabschreibungen zu profitieren. Andere stellten sinkendes Interesse an Wohnungen im Stadtkern fest. Nächtlicher Lärm, fehlende Stellplätze für Autos oder Fahrräder, von Verbrennern zugeparkte Ladeplätze für E-Autos und Baustellen schreckten mögliche Mieter ab. Die, die bleiben, seien dann oft nicht mehr die Wunschmieter. Hinzu kämen langwierige Prozesse bei Bauanträgen und zu geringe Kredite von Banken, beklagten andere.

Diskurs soll bestehen bleiben

Onken hielt dagegen. Sie könne die Problematik nicht ganz verstehen, sie pflege stets den direkten Austausch mit Mietern und halte ihre Wohnungen „auf einem Stand, der den eigenen Ansprüchen genügt, um selbst dort zu leben“. Ihr sei bewusst, dass man nicht immer Wunschmieter bekomme, doch sie habe in 35 Jahren nur zwei Mal Probleme mit Mietern gehabt.

Am Ende des Abends standen zwar keine konkreten Ergebnisse, doch Graue hat die Hoffnung, dass das die Initialzündung war, um Probleme künftig anzupacken. Die städtische Wohnungsmarktkoordinatorin Eckert, die die aktuelle Förderrichtlinie der Stadt vorstellte und Fragen beantwortete, lobte die rege Diskussion. Sie hoffe, dass das Thema noch mehr Vermieter erreiche.

(c) 2024 Internetseite Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 08.03.2024 – 17:56 Uhr
ROBIN PARDEY