Leerstehende Wohnhäuser

Vermieter, die nicht vermieten: So will die Stadt reagieren

Hildesheim – Sie sind seit Jahren, manchmal seit Jahrzehnten unbewohnt: In vielen Stadtteilen Hildesheims gibt es leerstehende Mehrfamilienhäuser, die dem Wohnungsmarkt fehlen – nun will die Stadt den Bestand katalogisieren. Und Maßnahmen zur Regelung der Situation ins Auge fassen.

Foto: Kathi Flau
Niemand zuhause: Dieses Gebäude in der Viktoriastraße steht seit vielen Jahren leer.

Hildesheim – Wohnraum ist derzeit eine gefragte Ressource. Denn in Hildesheim gibt es, wie schon das Wohnungsversorgungskonzept 2018 festhielt, zu wenig davon. Etwa 1500 Wohneinheiten würden bis 2025 fehlen, mahnt das Papier – vor allem Wohnraum, der bezahlbar ist.

Da scheint es umso bemerkenswerter, dass Mehrfamilienhäuser über Jahre, manchmal über Jahrzehnte, leerstehen. In großen Städten wie Berlin oder Hamburg, wo sich die Wohnungsknappheit noch weitaus stärker in Mietpreisen niederschlägt als hier, greift man daher auf das sogenannte Zweckentfremdungsverbot zurück: Eigentümer, die ihre Wohnungen und Häuser über einen längeren Zeitraum nicht vermieten, erwarten Geldstrafen oder sogar eine vorübergehende Enteignung durch die Stadt.

„Das Thema bewegt uns schon lange“

Wenn es nach ihm ginge, gebe es eine solche Regelung auch in Hildesheim, sagt Volker Spieth. Der Geschäftsführer des Mietervereins Hildesheim und Umgebung, der auch für die Grünen im Stadtrat sitzt, sagt: „Das Thema bewegt uns schon lange. Denn wenn man mal genau hinschaut, sind das viele Wohnobjekte in der Stadt, die leerstehen.“ Ein Mehrfamilienhaus gegenüber dem Roemer- und Pelizeusmuseum fällt ihm auf Anhieb ein, Häuser gegenüber der Musikschule, „bestimmt 30 oder 40 Wohneinheiten“, weiterer Wohnraum in der Nordstadt, in der Von-Steuben-Straße oder an der Ecke Hohnsen/Renatastraße – eine unvollständige Aufzählung, wie Spieth betont. „Es gibt noch weitaus mehr, und manche stehen schon über viele Jahre leer.“

So auch ein Altbau in der Viktoriastraße, ein Gründerzeit-Haus mit vier Etagen, in dem schon „seit mindestens 15 Jahren keiner mehr wohnt“, wie Nachbarn sagen. Der Eigentümer, der mit einem weiteren, dreistöckigen Wohnhaus in der Einumer Straße ähnlich verfährt, ist zu den Gründen für den andauernden Leerstand nicht zu sprechen.

Stadt erstellt nun ein Leerstandskataster

Die könnten seiner Erfahrung nach vielfältig sein, meint Spieth: „Manchmal handelt es sich um Erbengemeinschaften, die sich nicht einig werden können. Manche Eigentümer fühlen sich auch zu alt, um sich mit Mietern und ihren Angelegenheiten auseinanderzusetzen. Da kann vieles dahinterstecken.“ Doch welche Gründe das auch seien: Die Stadt müsse ihr Möglichstes tun, damit vorhandener Wohnraum auch als solcher genutzt werde.

Wie Michael Veenhuis, Bereichsleiter Siedlungsentwicklung, Flächennutzungsplanung und Infrastruktur der Stadt Hildesheim, sagt, erstellt die derzeit ein Leerstandskataster, eine Art Bestandsaufnahme nicht genutzten Wohnraums. „Wenn die Ergebnisse vorliegen“, so Veenhuis, „ist ein genauerer Blick auf den Leerstand möglich.“

Mieterverein spricht von „verwahrlosten Immobilien“

Auf dessen Grundlage sei es dann möglich, Strategien zur Aktivierung von leerstehenden Wohnungen zu entwickeln – auch eine Satzung über die Zweckentfremdung könne in Betracht kommen, allerdings nur, wenn „in Bezug auf die besondere Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen“ festzustellen sei.

Ein Anlauf, den man schon vor vier Jahren einmal genommen hat: Da forderte der Stadtentwicklungsausschuss die Verwaltung auf, sich intensiver um „verwahrloste Immobilien“ zu kümmern. Die Stadt solle sie in einem Register festhalten, ihre Eigentümer ausfindig machen und die „mit angemessener Fristsetzung“ auffordern, die Gebäude instand zu setzen und zu vermieten. Den Anstoß zu dem Antrag, den Grüne und SPD gemeinsam einbrachten, kam damals von Volker Spieth.

(c) 2021 Hildesheimer Allgemeine Zeitung Webseite vom 02.01.2021
Kathi Flau

Wohnungsmarkt

KOMMENTAR von Kathi Flau
Leerstehende Wohnhäuser: Ohne Druck bleibt’s leer

Ist es richtig, jemanden zu bestrafen, der sein Haus über Jahre leer stehen lässt? Tja. Was wiegt schwerer: Die Tatsache, dass dieses Haus sein Besitz ist und er folglich damit machen kann, was er will? Oder der angespannte Wohnungsmarkt, der ebenfalls eine Tatsache ist und der jeden Quadratmeter Mietfläche dringend braucht?

Weder noch. Denn ja, das Haus gehört zwar dem Eigentümer. Daraus folgt aber nicht, dass er damit machen kann, was er will. Eigentum verpflichtet, so steht es im Grundgesetz, Artikel 14. Und wer gegen ein Gesetz verstößt, der wird, so ist es in diesem Land üblich, bestraft.

Dennoch ist es richtig, nach den Gründen für den Leerstand zu fragen. Und gibt es keine plausiblen, ist es ebenso richtig, der offenbar fehlenden Entscheidungsfreude des Hausbesitzers ein wenig Anschub zu verleihen. Ein hohes Bußgeld oder eine zeitweise Enteignung, die könnten da womöglich Wunder wirken.

(c) 2021 Hildesheimer Allgemeine Zeitung Webseite vom 04.01.2021
Kathi Flau