„Fünf vor zwölf“:

Mehr als 2400 Wohnungen fehlen

Mieterverein legt bei Aktionstag drastische Zahlen vor / Arbeitsgemeinschaft beklagt Notstand in Hildesheim

Es ist höchste Zeit, der Wohnungsnot in Hildesheim entgegenzusteuern. Das steht für die Veranstalter des Aktionstags am Mittwoch an der Jakobikirche fest: „Fünf vor zwölf: Einladung zur Wohnungsbesichtigung“ – so lautete das Motto. Und eine aufgebaute Schlicht-Wohnung sollte die Blicke auf sich ziehen.

Blicke wischen vorbei

Billig-Schränke, ein klappriger Tisch, eine Plane als Dach. Eher wenig Menschen nehmen davon Notiz, ihre Blicke wischen an der Kulisse vorbei. „Vielen ist das Problem Wohnungsnot nicht bewusst. Die meinen sowas gebe es in Hamburg oder Hannover, aber nicht bei uns“, sagt Roderich Göhl von der Ambulanten Hilfe für Wohnungslose. Er gehört zu den Veranstaltern des Aktionstags, die mit Fakten auf die prekäre Situation hinwiesen: Hunderte von rund 54.000 Wohnungen stehen zurzeit in Hildesheim leer.

2400 Wohnungen fehlen

Zudem fehlen dem Mieterverein zufolge mindestens 2400 Wohnungen in der Stadt. Besonders benötigt von Familien mit mehreren Kindern, Senioren, Arbeitslosen, Studenten und auch Flüchtlingen. Zudem sind die Durchschnittsmieten auf mehr als sechs Euro pro Quadratmeter gestiegen. Bis vor wenigen Jahren waren es noch zwischen 5 und 5,50 Euro.

Diese Zahlen legt der Mieterverein bei dem Info-Tag zusammen mit der Kreisarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege im Landkreis vor. „Die Not ist groß“, sagt Göhl und nennt ein weiteres Beispiel: 196 Menschen bekommen nur Post, wenn sie bei der Beratungsstelle „Ambulante Hilfe für Wohnungslose“ ankommt. Die Männer und Frauen zwischen 20 und 35 brauchen diese Adresse. Etwa, um Harz IV-Leistungen zu beantragen. Denn sie haben keinen festen Wohnsitz, schlafen mal in Gartenlauben, sind bei Bekannten untergebracht oder hausen auf der Straße. „Das geht bei denen im Rotationsprinzip.“

„Neubau, Neubau, Neubau“

All dies seht an der Jakobikirche im Fokus. Aber was tun? Ralf Iggena von der Kreiswohnbaugesellschaft (KWG) sagt es gleich dreimal: „Neubau, Neubau, Neubau.“ Doch in Hildesheim ist der Platz dafür begrenzt. Immerhin entstehe das Gebiet Ostend mit 650 Wohnungen, auch mit Bleiben für Menschen, die auf soziale Wohnraumförderung angewiesen sind. Ralf Iggena und Markus Feise (Beamtenwohnungsverein) weisen zudem daraufhin, dass es in der Nähe von Hildesheims durchaus Wohnraum gebe: etwa in Harsum oder Algermissen.

Der Mieterverein pocht dennoch auf mehr Wohnungen in der Stadt. Dessen Geschäftsführer Volker Spieth fordert von der Stadt ein kommunales Förderprogramm – „wie in den neunziger Jahren.“ Doch Stadtbaurätin Andrea Döring winkt ab. „Das ist Landesaufgabe“, sagt sie und verweist auf die Bedeutung des Schuldenabbaus für die Stadt. Döring betont aber auch, dass ein verbessertes Angebot her müsse.

Spieth setzt darüber hinaus auf eine Verordnung des Landes. Die soll helfen, damit Wohnungen nicht zweckentfremdet werden. Doch die Landesregierung habe die Pläne noch nicht umgesetzt. Die Diskussion soll am kommenden Montag um 18 Uhr im Stadtrat weitergehen. Auf Antrag der Linken, Grünen und SPD gibt es eine Aktuelle Stunde.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

(c) 2018 Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 19.11.2018
Alexander Raths