Mieterverein Hildesheim betreibt historische Aufklärung in eigener Sache

Historiker Alexander Dylong soll die Geschichte aufarbeiten / Veröffentlichung geplant

Wer die Interessen von Mietern vertritt, den würde man politisch wohl am ehesten im Bereich der Sozialdemokratie oder noch weiter links verorten. Jemand, der sich für Schwächere einsetzt, für bezahlbaren Wohnraum eintritt – und sich vehement dagegen stemmt, wenn eine Volksbewegung wie der Nationalsozialismus heranrollt.

Was den Mieterverein Hildesheim angeht, kann man zumindest das Letztere getrost zu den Akten legen. Wohl voller Stolz wies der damalige Vereinsvorsitzende während der Generalversammlung im Oktober 1933 darauf hin, dass der Verein schon seit Januar des Jahres hinter dem neuen Reichskanzler Adolf Hitler stünde. Also zu einer Zeit, als sich viele Vereine und weitere Einrichtungen noch vehement gegen die sogenannte Gleichschaltung wehrten.

Die Geschichte von der damaligen Versammlung ist bisher eine der wenigen Anekdoten, die man rund um den Hildesheimer Mieterverein kennt. Das wollen das Volkshochschulprojekt „Vernetztes Erinnern“ und der Mieterverein ändern: Sie haben den Historiker Alexander Dylong gebeten, die Vereinsgeschichte aufzuarbeiten. Das Ergebnis soll im Jahrbuch des Heimat- und Geschichtsvereins und anschließend auf der Internetplattform des VHS-Projekts veröffentlicht werden.

Die Geschichte eines Mietervereins – das klingt zunächst nicht gerade nach spannender Lektüre. „Aber hier finden sich gleich mehrere spannende Punkte“, sagt Markus Roloff, Gründer und treibende Kraft des „Vernetzten Erinnerns“. „Wieso etwa schaltet sich eine Einrichtung wie der Mieterverein so früh gleich?“, fragt er. Gründer und schillerndste Figur des damaligen Vereins war der Hildesheimer Hugo Busch. Er muss auch noch in die letzten Räume des Mietervereins vor der Auflösung 1944 ein- und ausgegangen sein. Die Geschäftsstelle befand sich damals in der Teichstraße 2. Das Haus hat den Krieg überdauert. In dem roten Backsteingebäude befindet sich heute der Christliche Verein junger Menschen (CVJM). „Leider haben wir nicht einmal ein Foto von Busch“, sagt Volker Spieth, Geschäftsführer des heutigen Mietervereins.

Dabei war Busch nicht nur Jahrzehnte Chef des Vereins, sondern zudem viele Jahre Kommunalpolitiker in Hildesheim, unter anderem Mitglied des Rates. „Er war ein Mann, der im politischen Leben Hildesheims verankert war“, sagt der promovierte Historiker Dylong.

Er, Roloff und auch Spieth hoffen deshalb darauf, dass es Menschen in Hildesheim gibt, die vielleicht bei der Recherche rund um Busch und den gesamten Verein helfen können. „Vielleicht leben ja auch noch Nachkommen in der Umgebung“, sagt Roloff. Wer Fotos oder andere Informationen besitzt, wird gebeten, sich unter Telefon 9 36 11 54 (Roloff) oder 33284 (Spieth) zu melden.

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(c) 2017 Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 28.07.2017
Christian Harborth