„Wir brauchen diese Wohnungen“

Dem Mieterverein sind lange leer stehende Immobilien ein Dorn im Auge / Stadt und Land aufgeschlossen

Hildesheim. Ganz sicher ist Volker Spieth nicht. Doch das Haus Nummer 30 in der Moltkestraße stehe sicher schon 20 Jahre leer, meint der Geschäftsführer des Mieterbundes, der lange in einer Wohnung auf der anderen Straßenseite gelebt hat. Allein in der Oststadt gebe es noch sechs weitere Mehrfamilienhäuser, die seit mehr als zehn Jahren verwaist seien: „Da kommen bis zu 40 Wohnungen zusammen“, schätzt Spieth.

Den ärgert daran zweierlei. Zum einen schade der lange Leerstand dem Erscheinungsbild der Gebäude. „Man kann davon ausgehen, dass einige davon in keinem guten Zustand sind.“ So zieht sich zum Beispiel in der Moltkestraße bereits ein deutlicher Riss durch die Fassade. Und sehe erst einmal ein Haus schlecht aus, könnte sich das ansteckend auf benachbarte Gebäude auswirken.

Doch Spieth sorgt sich nicht nur ums Stadtbild. „Wir brauchen die Wohnungen, sie müssen auf den Markt kommen“, fordert der Chef des Mieterbundes. Der hat in seiner Eigenschaft als Grünen-Vertreter im Oststadt-Ortsrat bereits versucht, die Stadt einzuspannen. Doch deren Versuche, die Eigentümer anzuschieben, scheiterten. Die Verwaltung habe auch nur beschränkte Möglichkeiten, betont Sprecher Helge Miethe. „Ohne die Bereitschaft der Eigentümer ist keine Verbesserung zu erreichen.“ Zumal es nicht reiche, wenn ein Haus zu verwahrlosen drohe: Es müssten schon echte Gefahren von diesem ausgehen – ansonsten könne das Rathaus nicht eingreifen.

Das sei in Niedersachsen aufgrund der Rechtslage in der Tat schwierig, räumt Spieth ein – und es sei noch komplizierter, den Eigentümer dazu zu bringen, die Wohnungen wieder zu vermieten. Dennoch sollte sich die Stadt des Themas annehmen.

Als ersten Schritt hält der Mieterverein-Chef ein Kataster leer stehender Häuser für nötig. „Da dürfte in ganz Hildesheim einiges zusammenkommen, wenn ich allein in der Oststadt sieben Schrott-Immobilien kenne.“ Danach müsste die Verwaltung versuchen, die Hausbesitzer anzusprechen. Das scheitert allerdings manchmal schon an der Adresse, berichtet Miethe. Zwar könne die Verwaltung die jeweiligen Eigentümer ermitteln. Mitunter sei es jedoch schwierig, die aktuelle Anschrift in Erfahrung zu bringen.

Gelinge dies, könne das bei entsprechender Bereitschaft der Besitzer auch zum Erfolg führen – als Beispiele führt Miethe Gebäude in der Einumer Straße und in der Burgstraße an. Spieth kann sich neben der Freiwilligkeit auch entsprechende Gesetze vorstellen, wie es sie in einigen anderen Bundesländern gebe. „Da müssten sich dann die Landtagsabgeordneten für einsetzen.“ Das Sozialministerium zeigt sich aufgeschlossen. Zwar betont Sprecherin Heinke Träger, dass die niedersächsische Bauordnung den Kommunen bereits jetzt ermögliche, bei „ungesunden oder gar gefährlichen baulichen Verhältnissen“ einzugreifen. Doch wenn die Städte und Gemeinden einen Bedarf für ein Gesetz gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum nachweisen könnten, würde sich das Land einer Prüfung nicht verschließen. Die Kommunen seien schließlich mit dem örtlichen Wohnungsmarkt am besten vertraut.

Bei der Hildesheimer Stadtverwaltung kommt die Idee gut an. Die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten reichten jedenfalls nicht aus, um eine optische Verbesserung von Häusern zu erreichen, sagt Sprecher Miethe. „Mit Blick auf Gebäude, die das Stadtbild über einen längeren Zeitraum massiv verschandeln, wäre es zu begrüßen, wenn der Gesetzgeber den Kommunen mehr Handlungsspielraum einräumen würde.“

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(c) 2015 Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 28.09.2015
Rainer Breda