Erst die Mieter, jetzt die Eigentümer: Unmut über Fahrenheit-Verwalter

Hildesheim. Marcus Klecha kann die Klagen nicht mehr hören, und auf Volker Spieth ist er erst recht nicht gut zu sprechen. Es geht ums Fahrenheitgebiet, mal wieder. Klecha ist Geschäftsführer der Immobilienverwaltung Rentei mit Sitz in Sarstedt und somit verantwortlich für die Betreuung von mehr als 300 Wohnungen in dem Viertel. Von Volker Spieth, Geschäftsführer des Hildesheimer Mietervereins sowie Grünen-Ratsherr, hat Klecha keine allzu hohe Meinung. Spieth habe „keinen Anstand“ sagt der Immobilienunternehmer, er nutze den „Mieterverein, um sich politisch zu profilieren“.

Ein Vorwurf, den Spieth mit einem Lachen quittiert. Er hatte auch nicht damit gerechnet, dass Klecha lobende Worte für ihn übrig hat. Überrascht ist er, dass der Rentei-Chef gegenüber dem KEHRWIEDER überhaupt Stellung bezogen hat. Kommunikation sei sonst nicht die Stärke des Unternehmens, wenn es um kritische Nachfragen in Mieterangelegenheiten gehe: „Die stellen sich tot.“ Marcus Klecha hingegen hält Spieth vor, dieser schicke immer nur die gleichen Musterwidersprüche und habe nie ein persönliches Gespräch gesucht.

Der Draht zwischen den beiden ist nicht abgerissen, er war nie vorhanden.

Im Kern geht es in dem Konflikt seit mehreren Jahren um das gleiche: die Nebenkostenabrechnungen. Diese seien viel zu hoch, kritisieren viele Mieter, die sich deswegen an den Mieterverein und Volker Spieth gewandt haben (der KEHRWIEDER berichtete mehrfach).

Rückblick: 2004 kauft die Immobilienfirma „Wertinvestition“ einen Großteil der Wohnungen im Fahrenheitgebiet von der Hildesheimer GBG, lässt sie sanieren. Die Jahresabrechnungen der Nebenkosten lassen dann bald etliche Bewohner den Schrecken in die Knochen fahren: bis zu 1.500 Euro sollten manche nachzahlen, vor allem wegen hoher Heizkosten. Zahlreiche Anwohner des Viertels sind arbeitslos, beziehen Geld vom Staat und sind auf die Freigabe des Jobcenters angewiesen – ist die Wohnung zu teuer, weigert sich die Behörde zu zahlen und drängt die Mieter zum Umzug in günstigere Wohnungen. Mehrere langjährige Fahrenheitler müssen deswegen ihr Viertel verlassen, längst nicht alle Wohnungen werden umgehend neu vermietet. Diese Entwicklung konterkariert aus Spieths Sicht das Programm „Soziale Stadt“, unter dem das Gebiet einst saniert wird, 1,8 Millionen Euro an öffentlichen Fördermitteln flossen in das Projekt. An Spieths Seite steht von Beginn an Jörg Piprek von der Caritas, Leiter des Stadtteiltreffs „Broadway“. Gemeinsam bemühen sie sich um Lösungen, schlugen der Rentei vor, Anwohner könnten Arbeiten wie Treppenhausreinigung und Rasenmähen selbst übernehmen, um die Höhe der Nebenkosten zu senken. Der Konflikt findet schließlich den Weg in den Stadtrat, eine Mediation soll zu einem Ausgleich zwischen Mieter- und Verwalter-Interessen führen – diese findet aber nie statt. Stattdessen herrscht weiterhin Eiszeit, Mietervertreter Spieth legt im Namen seiner Mandanten regelmäßig Wiedersprüche gegen die Abrechnungen ein und rät, sie nicht in voller Höhe zu überweisen. Rentei kritisiert dies, geht aber auch nicht juristisch dagegen vor – weil bei Mietern nichts zu holen sei, meint Klecha. Weil der Verwalter schlicht den Überblick über die Unterlagen verloren habe, meinen hingegen andere, die sich mit dem Thema beschäftigt haben.

2014, zehn Jahre nach dem Verkauf der Wohnungen: Marcus Klecha weist die Verantwortung für die Entwicklung von sich – die Posten in den Nebenkosten wie Regenwasser/Abwasser und Grundsteuer seien von ihm nicht zu beeinflussen, die Hausmeisterdienste würden bereits sehr günstig angeboten – Arbeiten von den Mietern erledigen zu lassen sei keine Alternative, weil diese zu unzuverlässig seien. Vor allem für die Heizkosten seien die Mieter selbst verantwortlich – wer die Heizkörper in jedem Raum voll aufdrehe müsse nun mal mehr zahlen als jemand, der energiebewusster wohne.

Leben also die Mieter verschwenderisch und sind deshalb selbst Schuld an der Misere?

Volker Spieth hält dagegen: Mit Hilfe der Caritas und deren Beratung beim „Strom-Spar-Check“ hätten Mieter ihr Wohnverhalten auf Einsparpotenziale überprüft. Zudem legt er mehrere Gutachten aus dem Februar dieses Jahres vor, die die gemeinnützige und vom Bundesumweltministerium geförderte Agentur „CO2 Online“ erstellt hat. Deren Energieexperten kamen zu einem eindeutigen Ergebnis: Beim Posten Wärme sind in vielen Wohnungen des Viertels „große Einsparpotenziale“ erkennbar.

Der entscheidende Punkt ist aber: Die Mieter haben darauf über das eigene Heizverhalten kaum Einfluss, weil die Fixkosten außergewöhnlich hoch sind. Denn die Wohnungen sind mit ihren Heizkörpern nicht etwa an das örtliche Gasnetz angeschlossen, sondern hängen an einem lokalen Fernwärmesystem. Einzelne Heizungsanlagen versorgen Straßenzüge mit Wärme – den entsprechenden Vertrag für so genanntes „Wärme-Contracting“ hatte die „Wertinvestition“ mit dem Unternehmen „Fiba Energieservice“ ausgehandelt.

Beim Contracting investiert ein Unternehmen in die Heizungsanlage und sichert sich im Gegenzug vom Abnehmer eine langjährige Abnahme zu – der Wärme-Vertrag im Fahrenheitgebiet läuft noch bis 2020. Und dies zu Konditionen, die für die Mieter offensichtlich zu überdurchschnittlichen Kosten führen. Zu diesem Fazit kommt das „CO2Online“-Heizgutachten für das Jahr 2012 unter anderem für das Gebäude in der Thaerstraße 8: Während der Heizenergieverbrauch mit 68 Kilowattstunden pro Quadratmeter deutlich unter dem regionalen Durchschnitt gelegen habe, sei der Fernwärmepreis mit 18,1 Cent pro Kilowattstunde „erheblich“ zu hoch. Fachleute schütteln über diesen Preis den Kopf, KEHRWIEDER-Recherchen haben ergeben: Vergleichbare Fernwärme-Kunden des Energieversorgers EVI müssten nur rund acht Cent pro Kilowattstunde zahlen. Die Heizgutachten liegen der Rentei schon länger vor – eine Stellungnahme aus der Immobilienverwaltung bekamen aber weder die Mieter noch Volker Spieth.

Gegenüber dem KEHRWIEDER erklärt Marcus Klecha knapp: „Es laufen für die Gebäude relativ normale Contracting-Verträge.“

„Ganz normal“ findet der Rentei-Chef auf Nachfrage auch die Tatsache, dass sich inzwischen mehrere Eigentümer entschieden haben, sich von Klechas Unternehmen zu trennen und ihre Wohnungen nicht mehr von Rentei verwalten zu lassen – sie haben im Sommer dieses Jahres das Hildesheimer Unternehmen „Alpha Immobilien“ von Bernd Ebeling beauftragt. Dieser sagt im Gespräch mit dem KEHRWIEDER, ihm „als Hildesheimer“ sei es ein Anliegen, Ruhe in das Viertel zu bringen. Er kann sich durchaus für den Gedanken erwärmen, Anwohner Arbeiten wie Rasenmähen und Treppenreinigung erledigen zu lassen. Die Kosten aus den derzeit gültigen Heizungs-Contracting-Verträgen erscheinen ihm „überzogen“ – ändern kann er allerdings nichts daran. Aktuell betreut „Alpha“ bereits drei Häuser mit 32 Wohnungen, Ebeling steht aber bereits mit weiteren Eigentümern in Kontakt, die Interesse an einer Verwaltung durch „Alpha“ hätten, so dass sich die Zahl der Fahrenheit-Wohnungen in Alpha-Verwaltung bis Ende des Jahres verdoppeln könnte.

Nach Marcus Klechas Auskunft sei es ein völlig gängiger Schritt, dass Immobilienbesitzer ab und zu bei auslaufenden Verträgen den Verwalter wechselten – die aktuelle Entwicklung hätte absolut nichts mit Unstimmigkeiten zu tun.

Dieser Darstellung wiederum widerspricht Thomas Aiwanger entschieden – sein Wechsel zu Alpha sei eine bewusste Entscheidung gegen Rentei gewesen. Aiwanger kaufte 2005 für 127.000 Euro eine 70 Quadratmeter große Wohnung in der Thaerstraße und war wie alle Wohnungskäufer des Sanierungsgebiets „Soziale Stadt“ vertragliches Mitglied einer Einnahmegemeinschaft geworden: Die Mieten für alle Wohnungen fließen dabei in einen Topf, aus dem dann Rücklagen gebildet und der Rest an die Eigentümer ausgezahlt wird. Deren Einnahmen sind hierbei geringer als bei einer Direktvermietung, dafür soll der Einnahmeausfall durch eventuellen Leerstand auf alle Mitglieder der Gemeinschaft gleich verteilt werden und so das individuelle Risiko reduzieren.

Als Aiwangers Einnahmen aber über einen längeren Zeitraum deutlich unter den prognostizierten lagen, wurde er stutzig. Er hakte nach und stieß auf „total undurchsichtige“ Unterlagen zum Mietpool. Schließlich stieg er 2010 aus der Gemeinschaft aus und kündigte den Vertrag.

Dass der in Bayern lebende Wohnungseigentümer nur in diesem Artikel Aiwanger heißt und seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, hat auch damit zu tun, dass ihm die Sache etwas unangenehm ist – denn rückblickend, so muss er konstatieren, hat er sich 2004 für den Kauf dieser Wohnung in der Thaerstraße entschieden, ohne sich ausreichend Gedanken zu machen und Verträge zu hinterfragen.

Die Sorglosigkeit vieler Eigentümer ist auch der Grund dafür, dass Immobilenfachmann Bernd Ebeling nur begrenztes Mitleid mit denen hat, die nun aufgewacht sind und sich um Aufklärung bemühen.

Wie viele Käufer vor allem aus dem süddeutschen Raum hat Aiwanger sich vom Finanzberatungsunternehmen „Telis Finanz“ damals eine Wohnung im Hildesheimer Fahrenheitgebiet als Wertanlage und Steuersparmodell schmackhaft machen lassen. „Aus heutiger Sicht“, sagt Aiwanger, „war das ein Fehler. Ich würde es nicht noch einmal machen.“

Aiwanger ist einer der Eigentümer, die zu „Alpha“ gewechselt und äußerst zufrieden mit diesem Schritt sind. Er kritisiert fehlende Informationen durch Rentei. Über Probleme mit Schimmel in seiner Wohnung und gekürzte Mietzahlungen etwa sei er nicht vom Verwalter informiert worden – erst durch einen Anruf beim hiesigen Mieterverein habe er von den Schwierigkeiten etwas mitbekommen.

Im vergangenen Jahr erfuhr er bei einer Eigentümerversammlung dann zu seiner großen Überraschung vom bestehenden Wärme-Contracting – seit dem Kauf der Wohnung war er davon ausgegangen, dass es in dem Gebäude eine Zentralheizung gibt. Im Kaufvertrag sei die Wärmeversorgung nur vage beschrieben, erzählt Aiwanger. Vielleicht hat er damals nicht ausreichend nachgebohrt – er hält es aber auch für möglich, dass Käufer wie er bewusst im Unklaren gelassen und getäuscht wurden.

Unklar sei ihm auch, wo eine Instandhaltungsrücklage von mehreren tausend Euro geblieben sei, die in den aktuellen Unterlagen nicht mehr auftauche. Aiwanger erhofft sich nun von „Alpha“ Aufklärung und Transparenz durch eine Aufarbeitung der Abrechnungen. Bernd Ebeling hat sie bei Rentei bereits mehrfach angemahnt, aber noch keine Akten erhalten.

Sollten sich Unregelmäßigkeiten herausstellen, wollen Aiwanger und ein weiterer Eigentümer, mit dem er in Kontakt steht, das nicht auf sich beruhen lassen: „Wir überlegen, Klage gegen Rentei einzureichen.“

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(c) 2014 Kehrwieder am Sonntag vom 16.11.2014
                Von Jan Fuhrhop