„Studie geht am Bedarf vorbei“

Mieterverein: Bertelsmann-Untersuchung zeichnet nur eingeschränktes Bild vom Wohnungsmarkt

Hildesheim (br). Es gibt Schlechteres, was einem Oberbürgermeister im Wahlkampf widerfahren kann. Es ist erst ein paar Wochen her, da präsentierte die Bertelsmann-Stiftung eine Studie zum Wohnungsmarkt, bei der Hildesheim gut abschnitt. Kein Wunder, dass Kurt Machens die Untersuchung gern zitiert – als Beleg dafür, dass die Stadt „gerade für Menschen mit mittlerem und niedrigem Einkommen den erforderlichen Wohnraum in bester und preisgerechter Form“ biete.

Der Mieterverein dagegen reagiert weniger euphorisch auf die Studie. „Sie geht am Bedarf vorbei, wir brauchen hier in Zukunft ein ganz anderes Angebot als 75-Qadratmeter-Wohnungen“, moniert Geschäftsführer Volker Spieth. Er zweifelt zudem an den Daten, auf denen die Ergebnisse beruhen.

Dass an größeren und bezahlbaren Wohnungen kein Mangel herrscht, sieht auch Spieth so. Doch die Studie bilde nur die Quantität ab, lasse aber die Qualität außen vor. Und gerade an Ausstattung und Zustand ließen etliche dieser größeren Wohnungen zu wünschen übrig.

Zudem legten die Verfasser der Studie die Kaltmiete zugrunde, weshalb sie die günstigsten Wohnungen unter anderem im Fahrenheitgebiet angesiedelt hätten. „Das stimmt da nun gerade nicht“, sagt Spieth. So habe ein Wohnungsunternehmen in dem Viertel die Ausgaben für eine neue Heizung anteilig auf die Nebenkosten umgelegt. Diese seien entsprechend nach oben geschossen, weshalb es etliche Mieter bereits in die Nordstadt verschlagen habe. Dabei gibt es dort laut Studie die teuersten großen Wohnungen, zum Beispiel in der Nähe des Güterbahnhofs. Für Spieth stimmt da etwas nicht: „Das ist mir unbegreiflich.“ Wie auch die Bertelsmann-Aussage, „einkommensschwache“ Hildesheimer Familien (siehe Kasten) hätten 1769 Euro im Monat zur Verfügung. Damit stünden im Norden nur Hamburger besser da: „Kann das sein?“

Ohnehin hätten die Verfasser der Bertelsmann-Untersuchung einen sehr eingeschränkten Horizont gezeigt. Denn der demografische Wandel erfordere ganz andere als große Wohnungen. „Wir haben zunehmend weniger vierköpfige Familien, dafür aber immer mehr Ein- und Zwei-Personen-Haushalte.“ In diesem Segment fehlten preiswerte und barrierefreie Wohnungen – genau solche, wie sie die gbg gerade lobenswerterweise in der Oststadt geschaffen habe. Abhilfe könnten Wohnungsbauförderungsprogramme schaffen, meint Spieth. Allerdings müssten die auch Umbauten zugute kommen. Neubauten seien oft teuer, was sich in den Mieten niederschlüge.

Die Bertelsmann-Studie jedenfalls ist für den Mieterverein-Geschäftsführer für eine Lagebeschreibung des Hildesheimer Wohnungsmarktes ungeeignet. Vielmehr müsse die Stadt die vom Rat beschlossene „Wohnungsmarkt-Beobachtung“ beginnen. Zudem solle das Rathaus bis zum Jahresende das Wohnraum-Versorgungskonzept für jeden Stadtteil vorlegen: „Das schafft Transparenz“, meint Spieth, der für die Grünen im Rat sitzt. Die städtische Wohnungsgesellschaft gbg teilt die Mieterverein-Kritik nicht. „Wir können die Aussagen der Studie grundsätzlich bestätigen“, erklärt Sprecher Frank Satow. So gebe es auch für einkommensschwache Familien geeignete Wohnungen – „allerdings nicht unbedingt in Innenstadtlage.“ Dort verzeichne die gbg eher Nachfragespitzen bei kleineren Wohnungen.

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(c) 2013 Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 11.09.2013